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Im Interview mit Juan Baron: Die Zukunft des Marketings – ohne Third Party Cookies

Source: businessinsider.com

Datenschutz, Tracking, Personalisierung… Alles wichtige Stichworte, wenn wir an digitales Marketing denken. Doch wie lassen sie sich alle unter einem Dach vereinen? Wie können wir Daten der User:innen schützen und sicher verarbeiten, während wir gleichzeitig alle Resultate und jeden ihrer Schritte online verfolgen wollen? Gerade mit dem Verschwinden der Third Party Cookies wird letzteres massgeblich erschwert.

Wir lesen es überall: Third Party Cookies verschwinden, der Datenschutz der User:innen wird erhöht. Für Marketer und Marketerinnen bedeutet das, dass gerade Remarketing-Kampagnen oder personalisierte Werbung (abseits der eigenen Website/Kanäle) deutlich erschwert oder gar unmöglich werden. Was die Third Party Cookies alles ermöglichen, haben wir in einem früheren Artikel bereits besprochen.

Ebenfalls in dem erwähnten Artikel von letztem Jahr haben wir Inputs von mehreren Experten betreffend cookieloser Zukunft eingeholt. Maciej Zawadziński, CEO von Piwik PRO, hat dort bereits gesagt: «Sollte “FLoC” fehlschlagen und keine alternative Lösung erscheinen, dann müssten wir uns auf Publisher verlassen, die Onlinewerbung anbieten. Diese Website-Betreiber sammeln große Mengen an First-Party-Daten, um Werbetreibenden eine attraktive Segmentierung für Werbekampagnen anzubieten. Dies gibt wiederum den geschlossenen Plattformen, oder dem “Walled Garden”, von Facebook, Google oder Amazon noch mehr Macht.»

Und wer hätte es gedacht – FloC ist schon seit Anfang 2022 wieder ein Ding der Vergangenheit. Müssen wir uns also auf Publisher verlassen? Ich durfte mit zwei Experten sprechen, die genau diesen Ansatz verfolgen.

Zum einen erklärte mir Juan Baron, Director Business Development & Strategy bei Decentriq, wie sie mit Data Clean Rooms den Datenschutz der User:innen sicherstellen und mit Publishern zusammenarbeiten, um Unternehmen und Brands das zielgruppenspezifische Werben auf verschiedenen Plattformen zu ermöglichen.

Zum anderen durfte ich mich mit Jochen Witte, Chief Technology Officer bei Goldbach, unterhalten und herausfinden, was seine Vorstellungen des Marketings der Zukunft sind und wie die Zusammenarbeit mit Decentriq dabei eine Rolle spielt. Seine Antworten kannst du im Part 2 dieser Artikel-Serie lesen, der nächste Woche erscheint.

Im Interview mit Juan Baron, Director Business Development & Strategy bei Decentriq

Juan, denkst du, dass digitales Marketing und Suchmaschinenmarketing für Marketer und Marketerinnen auch ohne Third Party Cookies möglich sein wird?

J: Ja, das wird es. Denn wenn man Werbung mittels Suchmaschinenmarketing macht, dann macht man sozusagen Werbung innerhalb der Mauern des Publishers. Wenn man also auf google.com geht, bleibt man grundsätzlich innerhalb von google.com. Es wird jedoch immer schwieriger, Ergebnisse zu messen. Der einzige Grund, warum Search Engine Marketing funktioniert, oder warum es so viel Anerkennung erhält, wenn es um die Attribution geht, ist, weil es das Letzte ist, wonach die Leute suchen. Sie sehen also vielleicht ein Produkt auf Instagram und suchen dann danach – dann bekommt Google den letzten Klick.

Aber durch die Datenschutzbestimmungen und all die anderen Dinge, die in einer datenschutzfreundlichen Umgebung auftauchen, wird das Tracking von Pixeln immer schwieriger. Das hat nicht nur Auswirkungen auf SEM, sondern vielleicht auch auf Social Media. Social Media ist eines der grössten Opfer dieser Entwicklung, da Apple das app-übergreifende Tracking verhindern will. Man hat das Gefühl, dass die Wände sich definitiv verengen. Aber technisch gesehen braucht man keinen Data Clean Room für SEM, weil man es bereits mit jemandem wie Google zu tun hat, welche die beliebteste Suchmaschine ist. Du wirbst in ihrem eigenen Inventar, sodass sie gleichzeitig Publisher und Marktmacher sind und du nur Schlüsselwörter kaufst. Du hast zwar die Möglichkeit, deine CRM-Listen hochzuladen, aber das geht nur über google.com. Was wir bei Decentriq also tun, ist im Grunde, diese Möglichkeit für das Open Web oder für die meisten Premium-Publisher bereitzustellen.

Kannst du diese Data Clean Rooms etwas genauer erklären? Was genau sind Clean Rooms und wie können Marken sie nutzen?

Es gibt drei Arten von Clean Rooms, die wir auf dem Markt sehen. Es gibt die Walled-Garden Clean Rooms. Das ist zum Beispiel Google – denn Google hat sein eigenes Protokoll, Google Ads Hub. Dann gibt es Facebook. Facebook hat seit vielen Jahren die Möglichkeit, dass du deine Kontaktliste oder CRM-Liste hochlädst. Meta gleicht diese E-Mail-Adressen mit ihren eigenen Zielgruppen auf Facebook oder Instagram ab und kann dir helfen, dieselben Zielgruppen innerhalb ihrer Seiten zu finden.

Dann gibt es noch das, was wir als “Partner Heavy Clean Rooms” bezeichnen. Diese stützen ihre Sicherheit auf Softwareverschlüsselung.

Und dann gibt es noch etwas ganz Einzigartiges bei Decentriq, das auf Hardware basiert und sehr starke technische Datenschutzgarantien bietet. Das ist ein grosser Unterschied – wir versprechen nicht nur, dass wir Datenschutz und Sicherheit gewährleisten, wir garantieren es und können es auch technisch beweisen. Und das ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für jeden, der in den Bereich der Data Clean Rooms einsteigt, um zu verstehen, dass diese Art von Garantie nicht nur die Zustimmung des Datenschutzbeauftragten erhält, sondern auch Türen für stark regulierte Branchen wie Telekommunikationsunternehmen, Versicherungen, Pharmaunternehmen oder sogar Banken öffnet, um mit uns zu arbeiten.

Und wie spielt der Begriff Confidential Computing hier mit?

Der Begriff “Confidential Computing” kommt eigentlich von einer Hardware, die von Intel, AMD und Nvidia hergestellt wurde. Es handelt sich dabei um einen Chip, einen speziell entwickelten Chip. Ursprünglich wurde dieser in Laptops implementiert. Confidential Computing hat seine Wurzeln auch in den Content-Rights-Management-Systemen und jetzt ist es in der Cloud verfügbar geworden. Es hat sich also auf die Unternehmen ausgeweitet.

Die Idee des Confidential Computing ist, dass die gesamte Berechnung dieser sehr sensiblen Daten isoliert auf dem Chip selbst stattfindet. Das ist sehr schwer zu hacken. Wenn jemand versuchen wollte, sich Zugang zu den Daten einer unserer Kunden zu verschaffen, müsste er die Informationen von Intel erhalten, er müsste die Seriennummer des Chips kennen, den wir haben, er müsste wissen, wo der Server steht, in die Serverfarm eindringen und das System hacken – das ist sehr, sehr schwierig. Was wir also mit dem Confidential Computing gemacht haben, ist, dass wir nicht nur eine hardwarebasierte Technologie nutzen, sondern auch eine sogenannte «privacy by design» Software darauf aufbauen. Wir garantieren unseren Kunden – egal ob es sich um einen Publisher oder einen Brand handelt – dass niemand bei Decentriq die Daten technisch oder digital einsehen kann und auch der Cloud-Anbieter nicht.

Wie glaubst du, dass Decentriq und euer Angebot Marketern oder KMUs weiterhelfen kann?

Für kleine und mittlere Unternehmen ist es typisch, dass sie direkt auf Websites von Publishern wie zum Beispiel Goldbach werben wollen. Sie haben nun die Möglichkeit, endlich ihre eigenen Daten zu nutzen. Wenn man also ein kleiner E-Commerce-Shop ist oder vielleicht ein kleines Versicherungsunternehmen, das gerade erst gestartet ist und noch nicht zu den Grossen gehört, hat man die Möglichkeit, endlich seine eigenen Daten zu nutzen und mit einem Premium-Publisher wie Goldbach zusammenzuarbeiten.

Es wird den Brands also möglich sein, ihre Daten auf sichere und private Weise zu nutzen, um ihre Zielgruppen gezielt zu erreichen?

Richtig. Auf eine sehr einfache Art und Weise – es ist im Grunde das, was Meta gemacht hat – wo man tatsächlich seine Kontaktliste hochladen und die gleichen Zielgruppen innerhalb von Meta oder den Meta-Properties finden kann. Im Grunde kann man dasselbe bei Goldbach machen, die eine sehr hohe Reichweite in der Schweizer Bevölkerung haben.

Denkst du, dass Nutzer und Nutzerinnen online personalisierte Werbung wollen?

Es ist bereits bewiesen, dass personalisierte Werbung eine viel bessere Nutzererfahrung bietet als allgemeine Zufallswerbung. Wenn ich auf Blick einen Artikel über Fussball lese und plötzlich eine Werbung für Make-up bekomme, macht das einfach keinen Sinn, und deshalb funktioniert Personalisierung wirklich.

Nun gibt es verschiedene Methoden der Personalisierung. Man kann eine individuelle 1:1-Personalisierung vornehmen, aber für diese Art der Personalisierung ist die Zustimmung des Nutzers erforderlich. Oder man kann die Personalisierung auf Segmentebene durchführen, was Decentriq ebenfalls unterstützt.

Der Vorteil der Personalisierung über Decentriq ist, dass diese Art der Personalisierung – da wir über aggregierte Einblicke auf Segmentebene sprechen –  nicht die Zustimmung des Nutzers erfordert. Wenn also eine Zusammenarbeit zwischen einer Marke und einem Publisher wie Goldbach stattfindet, kannst du aus Sicht des Datenschutzes das aktivieren, was wir zustimmungsfreie Lookalike Audiences nennen. Dabei werden die Daten in den Data Clean Room eingegeben und wir empfehlen automatisch – unter Verwendung der Daten der Marke als Grundlage – hochwertige Zielgruppensegmente innerhalb des Inventars des Publishers, und nur diese Segmente werden innerhalb des Publishers aktiviert. Und keine einzelnen IDs verlassen jemals den Data Clean Room.

In Kombination mit allem, was wir zuvor über technische Garantien, Datenschutzgarantien und vertrauliche Datenverarbeitung besprochen haben, können wir so rechtlich sagen, dass wir diese Segmente auch ohne ausdrückliche Zustimmung der Nutzer aktivieren können. Denn es besteht ein berechtigtes Interesse daran, diese Zielgruppen für geschäftliche Zwecke zu aktivieren.

Und bei der Verwendung dieser Data Clean Rooms werden die Unternehmen nicht in der Lage sein, genau zu sagen: “Das ist Nicole und das sind ihre Interessen”?

Richtig, es sind aggregierte Ergebnisse. Es geht in gewisser Weise zurück zu den Old-School-Tagen von “contextual” in gewisser Weise. Es geht also um Kohorte, es geht um Segmente, es geht nicht darum, dem einzelnen Nutzer zu folgen, weil man zum Beispiel bei Amazon nach Schuhen sucht und plötzlich überall im Web die gleichen Anzeigen erscheinen. Ich denke, dass dies in Zukunft nicht mehr der Fall sein wird.

Apropos Zukunft – wo siehst du das Potenzial oder vielleicht auch die Probleme, wenn es um personalisierte Werbung geht? Was ist deine Vorstellung von der Zukunft der personalisierten Werbung?

Ich denke, es gibt zwei Möglichkeiten, diese Frage zu beantworten. Wenn ich die Sache aus der Sicht der Publisher betrachte – insbesondere der Premium-Publisher wie der New York Times und Goldbach – dann schlägt das Pendel wirklich wieder in ihre Richtung aus. In den letzten mehr als fünfzehn Jahren gab es einen Aufschwung von Ad-Tech-Vermittlern, die glauben, dass das offene Web für alle gilt und dass ein Blogpost von, ich weiss nicht, footballmoms.ch den gleichen Wert hat wie das Publikum von 20 Minuten. Und das ist nicht der Fall, oder? Was also mit dem Verschwinden der Cookies von Drittanbietern passiert, ist, dass das Einzige, was bleibt, Daten von Erstanbietern sind. Und diese Premium-Publisher kennen ihre Kunden besser, haben eine viel engere Beziehung zu ihrem Publikum und sollten in der Lage sein, diese Zielgruppen mit einer viel höheren Rate zu monetarisieren. Da nur die Daten von Erstanbietern übrig bleiben, stellen Data Clean Rooms eine strategische Säule für Premium-Publisher dar, um eine enge Datenbeziehung mit ihren wichtigsten Werbekunden zu pflegen. Marken wie Migros, Coop, UBS, Credit Suisse und so weiter können nun zum ersten Mal ihre eigenen Daten als Grundlage verwenden, um diese Kohorte und Segmente von Zielgruppen in Kombination mit den Goldbach-Daten zu finden innerhalb von Goldbach – oder innerhalb von Ringier oder innerhalb der NZZ.

Von der Markenseite her sehe ich es so, dass die Cookies von Drittanbietern verschwinden und die Zeiten der günstigen Reichweite um der Reichweite willen werden wahrscheinlich zu Ende gehen. Es wird jetzt mehr um hochgradig zielgerichtete Reichweite gehen, und es wird schwieriger werden, Ergebnisse zu messen, denn das ist es, was Third Party Cookies bewirkt haben.

Third Party Cookies waren die Stütze der Werbung. Sie ermöglichten es, den Nutzer zu verfolgen, zu wissen, wohin der Nutzer gegangen ist, und das wird jetzt komplett abgeschafft. Jetzt geht es also darum, wo man strategisch bei der Werbung ansetzen kann. Die Suchmaschinen werden weiterhin eine wichtige Rolle spielen, die sozialen Medien werden weiterhin eine wichtige Rolle spielen, aber auch die Premium-Publisher werden sich als strategischer Kanal für Marken etablieren.

Und wie sehen das Premium-Publisher?

Im Teil zwei dieser Artikel Serie werfen wir einen Blick auf die Inputs von Jochen Witte von Goldbach, die mit Decentriq zusammenarbeiten und spannende Inputs zu den verschiedenen Werbemöglichkeiten von Unternehmen liefern.

Nicole Langhart

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