Sind die Kund:innen heutzutage noch König:innen? Man könnte sagen mehr denn je. Denn während sie früher nur passive Objekte der Verkäufer:innenbegierde waren, denen ein bestimmtes Gefühl vermittelt werden sollte, gewährt man ihnen heute die Macht der Teilhabe. Und nennt das Customer Empowerment.
Kund:innen werden also nicht mehr als blosse Konsument:innen angesehen. Man betrachtet sie eher als Partner:innen im Wirtschaftsprozess. Eine Partizipation ist ausdrücklich erwünscht, Kund:innen sollen Eigenverantwortung zeigen und sich an der Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen beteiligen.
Customer Empowerment lässt die Kund:innen also aus Marketingsicht vom Objekt zum Subjekt aufsteigen. Die Strategien konzentrieren sich voll und ganz auf ihre Wünsche und Bedürfnisse. Der Orientierungswandel offenbart sich in Stichworten wie Customer Centricity, Customer Experience, Customer Engagement und nun auch Customer Empowerment.
Was bedeutet Customer Empowerment?
Empowerment bedeutet übersetzt Ermächtigung. Und das kund:innenorientierte Marketing nimmt es damit durchaus ernst. Käufer:innen sollen nicht mehr nur als Empfänger:innen eines Produkts betrachtet werden. Sie sollen aktiv an Prozessen mitwirken, ja sogar mitbestimmen. Also echte Macht bekommen und zu einem bedeutenden Teil der Wertschöpfungskette werden. Die neue Rolle integriert Kund:innen also direkt in Wirtschaftsprozesse sieht sie als Partner an.
Warum Customer Empowerment?
Die Entwicklung des Marketings hin zur Kund:innenorientierung ging mit dem digitalen Zeitalter einher. Das Web 2.0 hat die Rolle der Kund:innen massgeblich verändert. Sie haben mehr Möglichkeiten und dadurch auch mehr Marktmacht erhalten. Wer seine Zielgruppe heute noch als eine Masse von Konsument:innen betrachtet, die vom Kauf überzeugt werden muss, wird scheitern. Denn die User:innen haben die Wahl. Dadurch haben sich ihre Ansprüche nicht nur an die Produkte selbst, sondern auch an deren Präsentation erhöht.
Vertrieb und Marketing mussten sich zwangsläufig an die gewachsenen Ansprüche anpassen. Wünsche und Bedürfnisse von potenziellen Kund:innen werden deshalb als wichtiger Input für das Unternehmen angesehen. Bei der Beurteilung von Kund:innen geht es nicht mehr nur um die zu erwartenden Erträge, die sie einbringen könnten, sondern auch um wertvolle Partizipation.
Dafür muss das Unternehmen möglichst viele verschiedene Kanäle und Touchpoints zur Verfügung stellen. Dieser Multichannel-Ansatz orientiert sich selbstverständlich auch an den Kund:innen, das Marketing muss sie genau dort abholen, wo sie sich vorwiegend aufhalten.
Beispiele für Kanäle zur Kund:innenaktivierung:
Social Media | User:innen können sich aktiv an Diskussionen beteiligen, Erfahrungen mitteilen, liken, kommentieren und sharen. Unternehmen haben die Gelegenheit, mit Ihrer Community in direkten Kontakt zu treten. |
Foren | Hier können User:innnen ihre Expertise mit anderen teilen und auch Empfehlungen abgeben. |
Blogs | In eigenen Blogs können User:innen beispielsweise Erfahrungsberichte zu Produkten verfassen. |
Bewertungsportale | Durch Bewertungen teilen User:innen ebenfalls ihre positiven oder negativen Erfahrungen mit. Unternehmen haben die Möglichkeit, direkt darauf zu reagieren. |
Onlineshops | Auch in vielen Onlineshops können Käufer:innen Bewertungen zu erworbenen Produkten verfassen. |
Beispiele für Möglichkeiten der aktiven Mitwirkung:
- Feedback
Kund:innen werden direkt nach ihrer Meinung gefragt, können Erfahrungsberichte oder Bewertungen verfassen. Das geschieht entweder durch Likes und Kommentare in den sozialen Medien oder im direkten Dialog. Positive Erfahrungsberichte und kritische Anmerkungen sind gleichermassen willkommen.
- Co-Design
Kund:innen geben Anregungen oder werden zu aktiven Mitgestaltern. Bei der Entwicklung neuer Produkte können Sie Impulse geben oder eigene Entwürfe präsentieren.
- Konfiguration
Kund:innen bekommen die Möglichkeit, sich Produkte oder Dienstleistungen selbst zusammenzustellen. Sie konfigurieren das Gewünschte individuell nach ihren persönlichen Interessen und Bedürfnissen.
- Influencer Marketing
Dabei werden Kund:innen zu Co-Marketer:innen. Influencer:innen haben einen Expertenstatus und erhalten dadurch Einfluss auf die Zielgruppe. Sie können zu wichtigen Vermittler:innen werden.
- Mundpropaganda
Heute nennt man das Word of Mouth Marketing und fördert es durch Sponsoring, Events oder spezielle Angebote für besondere Kund:innen. Es gibt keine bessere Werbung, als wenn Käufer:innen ihre positiven Erfahrungen öffentlich machen.
Die Entwicklung der Kund:innenrolle
Als das Internet in den 1990er-Jahren erstmals eine grosse Masse von Menschen erreichte, ging es dabei zunächst um den reinen Konsum der neuen Inhalte. Die Wende der Verbraucher:innen zu aktiven User:innen wurde zu Beginn der 2000er-Jahre eingeleitet. Das Web 2.0 machte aus Consumern sogenannte Prosumer, also producing Consumers. Während die reinen Consumer sich Inhalte nur angeschaut hatten, wurden die Prosumer jetzt aktiv. Sie fingen an, eigene Blogartikel zu verfassen, Videos zu drehen, Fotos zu veröffentlichen und kreative Memes zu gestalten. Im Zuge dieser Entwicklung wuchs die Macht der Kund:innen, durch ihre Aktivitäten haben sie sich praktisch selbst empowered. Die Unternehmen mussten darauf reagieren und versuchen, ihren eigenen Nutzen daraus zu ziehen. Die logische Folge war das Customer Empowerment.
Die Vorteile von Customer Empowerment für Unternehmen
Die Macht der Kund:innen birgt einerseits Gefahren. Ein Shitstorm in den sozialen Medien kann einem Unternehmen beispielsweise massiven Schaden zufügen. Andererseits ergeben sich neue Marketingmöglichkeiten durch teilhabende Kund:innen.
- Du erfährst die Meinungen deiner Kund:innen unmittelbar
Dadurch erhältst du schnell und direkt wertvolle Informationen, mit denen du deinen Service, dein Marketing oder die Produktentwicklung optimieren kannst.
- Du erhältst Feedback und erfährst Wünsche und Bedürfnisse
Durch unmittelbares Feedback musst du die Wünsche und Bedürfnisse deiner Zielgruppe nicht erst mühsam und zeitintensiv erforschen. Deine Kund:innen sagen dir einfach, was sie wollen und brauchen.
- Du bist am Puls der Zeit
Durch die Teilhabe und Interaktion mit deinen Kund:innen verpasst du keinen Trend mehr und kannst schnell auf neue Marktentwicklungen reagieren.
- Kund:innenbindung wie von selbst
Durch Customer Empowerment kannst du dir so manche Massnahme zur Stärkung der Kund:innenbeziehung ersparen. Denn durch die direkte Einbindung ins unternehmerische Geschehen fühlen sich die Kund:innen ganz von selbst stärker an die Marke gebunden.
- Kostenloser Input
Im Rahmen des Customer Empowerment werden deine Kund:innen zu Bestandteilen der Wertschöpfungskette. Sie werden fast zu kostenlosen Mitarbeiter:innen, die dir wertvollen und kreativen Input zu Produktideen oder -erweiterungen liefern.
- Customer Empowerment bringt Wettbewerbsvorteile
Durch die Einbindung deiner Kund:innen bist du deinen Konkurrenten, die diese Strategie nicht verfolgen, einen Schritt voraus. Du kannst im besten Fall eine Pionierrolle auf diesem Gebiet einnehmen.
Zwei Beispiele von erfolgreichem Customer Empowerment
Manche Unternehmen sind erfolgreich, weil sie von Anfang an auf Customer Empowerment setzen. Andere konnten mit Kampagnen punkten.
Hier zwei bekannte Beispiele:
- mymuesli
Dieses Unternehmen hat schon als Start-up ganz auf die Mitwirkung seiner Kund:innen gesetzt. Mit grossem Erfolg. Im Online Shop kann sich jeder sein individuelles Lieblingsmüsli selbst zusammenstellen. Dazu stehen 80 Zutaten bereit, die insgesamt mehr als 566 Billionen Kombinationsmöglichkeiten ergeben. Die Idee wurde zum Millionengeschäft, das allerdings durch die Coronakrise empfindlich ausgebremst wurde.
- Nutella
Auch ein ohnehin schon äusserst beliebtes Produkt wie Nutella verzichtet nicht auf Customer Empowerment. Zuerst konnten sich die Liebhaber der Schokocreme ein individuelles Nutella-Glas personalisieren, jetzt hat das Unternehmen Ferrero dieses Angebot auf Rezeptbücher ausgedehnt.
Customer Empowerment im Online Marketing
Aus der Sicht des Online Marketing geht es beim Customer Empowerment nicht nur um Teilhabe, sondern auch um KPIs wie Interaktionsraten. Der Erfolg von Kund:innenermächtigung ist also durchaus messbar. Neben demokratischen Prozessen der Mitwirkung geht es dabei auch um harte Fakten und kommerzielle Interessen. Klar, Ferrero personalisiert Schokocreme nicht aus rein altruistischen Motiven. Die Marketer:innen hoffen nicht nur, dadurch noch mehr Nutella verkaufen zu können, sie gewinnen mit der Aktion auch Erkenntnisse über das Kund:innenverhalten. Und das ist im Online Marketing ein wichtiger Faktor, um langfristig den Customer Lifetime Value erhöhen zu können. Customer Empowerment soll im Endeffekt also nicht nur den Kund:innen mehr Macht verleihen, sondern auch dem Marketing einen Power-Boost verschaffen.
Fazit: Customer Empowerment bringt allen etwas
Customer Empowerment setzt auf Teilhabe und Mitwirkung, basiert also auf einem zutiefst demokratischen Ansatz. Aber du bist natürlich kein Politiker und betreibst keine Wahlwerbung. Du leitest ein Unternehmen, das du mit deinem Marketing zum wirtschaftlichen Erfolg führen willst. Das geht allerdings nur gemeinsam mit den Kund:innen. Und hier kommt wieder der demokratische Ansatz ins Spiel. Mitsprache und Mitwirkung machen User:innen Spass und dienen trotzdem dem Profit. Customer Empowerment ist also ein rundum sinnvolles Konzept, das nicht vorgibt, altruistisch sein zu wollen und trotzdem ein demokratisches Prinzip vertritt. Im Dienste der Community und des Unternehmenserfolgs.