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Wieso barrierefreies Webdesign so wichtig ist & wie es umgesetzt werden kann

Source: businessinsider.com

In der realen Welt gibt es viele offensichtliche Hürden, die behinderte Menschen nicht überwinden können. In den letzten Jahren ist diese Tatsache immer tiefer ins Bewusstsein gerückt und das Stichwort Inklusion ist mittlerweile in aller Munde. Aber wie steht es in der virtuellen Welt um die Inklusion?

Das Bewusstsein über die Tatsache, dass viele Webseiten die gleichen hohen Hürden für Behinderte bergen wie beispielsweise manche Bahnhöfe, ist noch nicht so weit verbreitet. Dennoch ist es Fakt, dass bestimmten Menschen die Nutzung des World Wide Web versagt bleibt. Inklusion ist auch hier gefragt, denn barrierefreies Webdesign ist möglich.

Was macht barrierefreies Webdesign aus?

Barrierefreiheit im Internet wird in zahlreichen Regelwerken auf der ganzen Welt definiert, unter anderem im deutschen Behindertengleichstellungsgesetz. Barrierefreies Webdesign will für alle Menschen zugänglich sein, eben auch für Behinderte mit den verschiedensten Einschränkungen. Diese User*innen müssen für den freien Zugang zum Web diverse Hilfsmittel benutzen, mit denen möglichst alle Webseiten kompatibel sein sollten.

Warum ist das Netz nicht barrierefrei?

Genauso wie in realen städtischen Umgebungen richtet sich das Design auch im virtuellen Umfeld an den ‚Normalo‘. Gestaltung für Durchschnittstypen schliesst aber von vornherein Menschen aus, die andere Bedürfnisse haben als Lieschen Müller und Max Mustermann. Dadurch grenzen Webdesigner*innen die Reichweite einer Onlinepräsenz deutlich ein, bestimmte Zielgruppen werden gar nicht erreicht.

Auf den ersten Blick erscheint das Reichweitenproblem in diesem Zusammenhang vergleichsweise unbedeutend zu sein, aber schon der zweite Blick verdeutlicht die tatsächliche Relevanz. Das Statistische Bundesamt publiziert im Zwei-Jahres-Rhythmus eine Statistik zu Behinderungen in Deutschland. Im Jahr 2019 besagte diese, dass 7,9 Millionen Schwerbehinderte im Land leben. Das entspricht einem Prozentsatz von 9,5 Prozent. Wer also nicht auf barrierefreies Webdesign achtet, schliesst fast 10 Prozent der Bevölkerung von seinen Inhalten aus.

Weltweit gibt es 750 Millionen Menschen mit Behinderung. Eine Zahl, die sogar in den unendlichen Weiten des World Wide Web von Belang sein dürfte. Zumal Behinderte überproportional im Netz aktiv sind. Das hat eine Umfrage des Bundeswirtschaftsministeriums ergeben. Demnach nutzen 80 Prozent der behinderten Deutschen das Internet. 55 Prozent der Befragten gaben allerdings an, dass Barrieren Ihnen eine vernünftige Netznutzung erschweren.

Was verlangt das Gesetz?

Die relevanten Regelwerke sind das Behindertengleichstellungsgesetz und die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik.

Darin wird verlangt, dass Webseiten

in allgemein üblicher Weise,

ohne besondere Erschwernis,

ohne fremde Hilfe und

unter Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel

auffindbar, zugänglich und nutzbar sein sollen.

Barrierefreies Webdesign wird unter dem Punkt ‚Web Accessibility‘ behandelt. Online-Inhalte sollen demnach den Web Content Accessibility Guidelines WCAG entsprechen. Um dies überprüfen zu können, wurde eine dreistufige Bewertungsskala eingeführt, die messbare und testbare Kriterien enthält. Die Barrierefreiheit wird demnach in die Noten A, AA und AAA eingestuft. Seine Konformität mit den Guidelines kann jede*r Webseitenbetreiber*in nach diesen Testkriterien überprüfen lassen.

Barrierefreiheit in der Netzrealität

Existierende Standards, die nicht mal umfänglich eingehalten werden, sind heute noch gar nicht in der Lage, sämtliche Hürden tatsächlich zu beseitigen. Das wird am Beispiel Verständlichkeit besonders deutlich, denn diese Hürde spielt selbst bei den Erfordernissen nur eine untergeordnete Rolle. Allein dadurch bleiben bestimmte Personenkreise, beispielsweise Menschen mit mangelnder Sprachbeherrschung, völlig aussen vor.

Schon die Definition des Begriffs Barrierefreiheit ist in der Netzwirklichkeit schwierig. Einfacher wäre die Präzisierung von Störfaktoren, für die man aktiv nach Lösungen suchen könnte. Das wäre dann auch eine klar definierte Aufgabe für Webdesigner*innen.

Barrierefreie Webseiten hätten übrigens auch eine bessere Usability für alle anderen Nutzer*innen zu bieten. Denn von optimalen Farbkontrasten, gut lesbaren Schriften und einem linear logischen Layout würden ja alle Seitenbesucher*innen profitieren. Und die Don´ts des barrierefreien Webdesigns, wie beispielsweise extrem helle Kontraste, unklare Buttons oder ausgedehnte Textwüsten, wirken sich auch störend auf die User-Experience von nicht behinderten Menschen aus.

Hier könnte man ansetzen und Checklisten für einzelne eingeschränkte Gruppen erstellen:

  • Für Sehbehinderte und Blinde
  • Für Schwerhörige und Gehörlose
  • Für Beeinträchtigungen der motorischen Steuerung
  • Für geistig Behinderte
  • Für geringe Sprachbeherrschung

Den spezifischen Beeinträchtigungen dieser einzelnen Personenkreise könnte man eine allgemeine Checkliste voranstellen, die alle Bereiche abdeckt:

1. Usability

Bedienung geräteunabhängig mit Tastatur oder Schaltersteuerungen ohne Maus oder Touchscreen.

2. Struktur

Orientierung soll auch ohne visuelle Informationen möglich sein. Zugang mit Screenreadern ermöglichen. Linearisierbarkeit für die Nutzung von linearer Software wie beispielsweise Sprachausgabe.

3. Textinhalte

Leichte Sprache. Keine Texte, die in PDFs oder Bildern eingebettet sind. Vergrösserbarkeit muss voll gegeben sein.

4. Grafikinhalte

Websites sollen auch bei ausgeschalteten Grafiken voll nutzbar sein, durch vollwertige Alternativtexte.

5. Farbdesign

Alle Kontraste und Farben sollen in jedem Browser auch bei einem individuellen Farbschema erkennbar sein.

6. Multimedia

Durch Alternativtexte oder synchronisierte Untertitel (SMIL) wird Multimedia-Content für Screenreader zugänglich gemacht.

7. Java

Alle Elemente über Tastatur bedienbar. Web-ARIA macht Zugang für Screenreader möglich. Fallback-Lösungen für nicht nutzbare Widgets.

Das Pharmaunternehmen Pfizer als Vorbild

Pfizer Deutschland hat seine Website umfangreich überarbeiten lassen mit dem Ziel, möglichst barrierefreie Inhalte präsentieren zu können. Anschliessend liess das Unternehmen seine Webpräsenz durch die Online-Agentur Publics Pixelpark eingehend auf Barrierefreiheit hin überprüfen. Ein mehrstufiger Prozess mit insgesamt 50 Prüfschritten erbrachte ein fantastisches Resultat: www.pfizer.de erhielt 95,75 von 100 möglichen Punkten. Im BITV-Test der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Initiative barrierefrei informieren und kommunizieren BIK schnitt die Seite ebenfalls mit der Note ‚sehr gut‘ ab.

Diesen bemerkenswerten Erfolg hat Pfizer selbstverständlich weitläufig über seine Presseabteilung verbreitet. Die Investition hat sich für das Unternehmen also auf jeden Fall auch in Sachen Public Relations gelohnt.

Fazit: Mehr Reichweite durch barrierefreies Webdesign

Inklusion ist im richtigen Leben viel mehr als nur eine humane Geste. Und das gilt auch für die Online-Welt. Denn behinderte Menschen sind vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft und als solche relevante Zielgruppen. Barrierefreies Webdesign hat also nicht nur einen menschlichen Aspekt, es ist auch ein wirtschaftliches Anliegen. Sonst hätte ein Pharmakonzern wie Pfizer wohl kaum in diesen Bereich investiert. Hier geht es natürlich auch ums Image. Auf der deutschen Pfizer-Website findet man nun also nicht nur barrierefreie Inhalte, sondern auch das BIK-Prüfsiegel an exponierter Platzierung.

Sabine Genau

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