Instagram und Fotografie gehören zusammen wie einst Twitter und das 140-Zeichen-Limit. Wie auch im Fall von Twitter ändert sich das nun, denn Instagram verschiebt seinen Fokus auf das Format Video. Wird Instagram das neue YouTube?
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Grosse Social-Media-Plattformen bestehen darum so lange, weil sie nie stagnieren. Laufend passen sie sich dem Nutzungsverhalten, Trends und der gesellschaftlichen Entwicklung an. So erhöhte beispielsweise das eingangs erwähnte Twitter 2017 das Zeichenlimit auf 280, um den Bedürfnissen der Community gerecht zu werden. Instagram geht aktuell einen weitreichenderen Schritt.
Was ist passiert?
«Wir sind nicht mehr einfach nur eine App für das Teilen quadratischer Fotos. Bei Instagram versuchen wir stets, Features zu entwickeln, die euch helfen, das meiste aus der Erfahrung herauszuholen», so die Bildunterschrift des Posts von Adam Mosseri, seines Zeichens Head of Instagram. Der Post ist ein zweieinhalb-minütiges Video, in dem Mosseri erklärt, dass Video der grösste Wachstumstreiber der Industrie sei. Dabei anerkennt er den Erfolg von YouTube und TikTok. Instagram müsse sich nun in eine ähnliche Richtung bewegen, um sich gegen die Konkurrenz zu behaupten. Video wird der neue Fokus des Sozialen Netzwerks.
Video in Sozialen Netzwerken
Dass Instagram vermehrt auf Video setzen möchte, kommt nicht von ungefähr. Die Schwesterfirma Facebook führte 2017 Facebook Watch ein. Ein eigener Tab in Facebooks Navigation unter dem von der Plattform vorgeschlagene sowie abonnierte Videoinhalte und Livestreams ein Zuhause finden. Der Dienst orientiert sich anders als Instagrams aktuelle Bemühungen eher an YouTube als an TikTok. Das Feature wird laut Facebook monatlich von rund 1.25 Milliarden Nutzer*innen genutzt.
Auch andere Netzwerke wie Twitter, Snapchat oder LinkedIn experimentieren laufend mit Videoformaten und erleichtern die Erstellung sowie den Upload von Videoinhalten. Es ist ein Symptom eines allgemeinen Branchentrends. Videos werden von der Social-Media-Nutzerschaft nicht nur gerne geschaut, sondern auch eher geteilt als anderer Inhalte. Dabei lassen sich die meisten – Instagram eingenommen – mehr vom Endlos-Feed und den kurzen Videos von TikTok inspirieren als von YouTubes Videosuchmaschine.
Was hat Instagram mit Video vor?
Der wichtigste Begriff, der mehrmals in Mosseris Ankündigungsvideo fällt, ist Entertainment. «Leute kommen auf Instagram, um unterhalten zu werden», sagt er. Das hätten Nachforschungen ergeben. Was das für die künftige Entwicklung der Plattform bedeutet, wird nur angeschnitten. «Was ihr in den nächsten Monaten sehen werdet, ist, dass wir im Bereich Empfehlungen experimentieren werden. Wir werden euch Inhalte im Feed zeigen, denen ihr noch nicht folgt», präzisiert Mosseri.
Man wolle aber allgemein mehr Möglichkeiten im Videobereich ergreifen. Full-Screen, immersive, unterhaltsame und mobile-first Videos stünden im Zentrum. Mit all diesen Eigenschaften werde Instagram in den kommenden Wochen und Monaten experimentieren. Zumindest Full-Screen-Videoinhalte bot und bietet Instagram bereits in Form von Stories, IGTV und Reels an. Mobile-first, war die Plattform sowieso schon immer. Wie Instagram konkret Inhalte immersiver und unterhaltsamer gestalten möchte, bleibt ungewiss.
Die Videoformate verschmelzen
Anfang dieses Jahres räumte Mosseri im Technik-Podcast Decoder ein, dass Instagrams Videoformate zu kompliziert seien und sich die Plattform der Simplifizierung und Konsolidierung von Ideen in diesem Bereich verpflichtet. Gerade auch für Creators soll der Upload-Prozess für Videos einheitlicher werden. Darauf folgte die Auflösung des IGTV-Formats – beziehungsweise dessen Integration in die Feed-Videos. Das neue Format Instagram Video erhielt zudem einen eigenen Tab in den Instagram-Profilen. Gepaart mit der neuen 60-Sekunden-Obergrenze für Instagram Stories verfügen nun alle Instagram-Videoformate über dieselben Spezifikationen.
Ein Umstand, den Instagram bereits ausnutzt. Denn Video-Posts werden mittlerweile teilweise im Reels-Tab ausgespielt. Eine logische Folge der Formatüberschneidungen. Eine komplette Verschmelzung der Videoformate und deren Ausspielorte scheint nur eine Frage der Zeit.
Eine persönliche Einschätzung
Instagrams Ankündigung, mehr auf Video setzen zu wollen und weg vom Image der Bilder-Plattform zu kommen, ist vage. Welche Massnahmen tatsächlich geplant sind und wie sich die App-Erfahrung künftig entwickeln wird, ist noch unklar. Darum stelle ich hier meine eigenen Vermutungen darüber an, welche Veränderungen dich erwarten könnten.
Weniger Social, mehr Entertainment
Instagram will weg vom Sozialen Netzwerk und hin zur Entertainment-Plattform. Das lässt sich aus Mosseris Ankündigungsvideo schliessen. Es geht nicht mehr darum, Community-Mitglieder mit dem Posten von Schnappschüssen zu verbinden. Nutzer*innen sollen unterhalten werden, damit sie möglichst viel Zeit in der App verbringen. Der soziale Aspekt wird wohl zugunsten von mehr Entertainment in den Hintergrund rücken. Das würde auch eine Verschiebung des Fokus von privaten Profilen auf öffentliche Unternehmens- und Influencer*innen-Accounts bedeuten.
Im Moment existieren beide Arten von Profilen im Gleichgewicht. Private Accounts produzieren aber wenig Content, geschweige denn hochwertige Videos. Wenn Instagram seinen Nutzer*innen möglichst viel Entertainment bieten möchte, könnte das bedeuten, dass im Feed und in den Stories vermehrt Videoinhalte grosser Accounts auftauchen, die regelmässig und auf hohem Niveau produzieren. Ein erster Schritt in diese Richtung könnte die Ankündigung von Instagram Exclusive Stories darstellen. Bald sollen nämlich Nutzer*innen gegen eine monatliche Bezahlung exklusive Story-Inhalte ihrer Lieblingsinfluencer*innen sehen können.
Video first
Video steht im Zentrum von Instagrams künftiger Entwicklung. Die ersten Schritte dafür sind schon in die Wege geleitet. Alle Videoformate auf der Plattform unterliegen wie bereits erwähnt denselben Spezifikationen. Ein gemeinsamer Video-Feed wird folgen. Wenn Instagram aber wirklich alles auf die Karte Video setzt, müssten diese Inhalte langfristig auch im Hauptfeed eine grössere Rolle einnehmen. Und zwar wie Mosseri sagt im Full-Screen. Uns könnte also ein TikTok-artiger Endlos-Feed erwarten, in dem Video- und Fotobeiträge in allen Formaten angesehen werden.
Die Zukunft von Mobile Video
Die unterschiedlichen bestehenden Videoformate konvergieren – so viel haben wir schon festgestellt. Wie aber will Instagram Videos immersiver und unterhaltsamer gestalten? Werden wir künftig Filme und Serien über die App konsumieren? Ähnliche Versuche mit IGTV waren wenig fruchtbar. Erst gerade 2020 startete die mobile Video-Streaming-App Quibi mit der grossen Ambition, Serienformate spezifisch für Smartphones anzubieten. Noch im selben Jahr wurde der Dienst mangels Erfolgs eingestellt.
Der Erfolgsfaktor scheint momentan Short-Form-Video im Stile von TikTok zu sein. Dass Instagram dennoch versuchen wird, aufwendige, fiktive Formate auf Instagram gross zu machen, ist durchaus denkbar. Filme und Serien als Formate werden langfristig eine Form entwickeln, die Nutzer*innen auf Mobilgeräten begeistert, wir wissen nur noch nicht, wie sie aussieht. Vielleicht weiss es Instagram.
Stimmen aus der Community
Die Kommentarsektion unter der Ankündigung ist eher kritisch eingestellt. Es wird vor allem kritisiert, dass Instagram Fotograf*innen im Stich lässt und sein Alleinstellungsmerkmal verrät. Ausserdem sei Videoproduktion für die meisten Creators zu aufwendig. Es ist auffällig, dass sich hauptsächlich Content-Creators zu Wort melden, nicht private Nutzer*innen. Hier eine beispielhafte Reaktion:
«Photographers and photographs are what has made Instagram the great platform that it is. I am extremely disappointed that Instagram is making these changes and phasing out the wonderful photographs that entertain me daily and hopefully my photographs entertain others. Someone is going to pick up the ball that you have let drop and will make way more money than you are trying to.»
Wie du dich auf den Wandel vorbereiten kannst
Was bedeutet Instagrams Ankündigung nun für dich als Marketer*in? Wie kannst du dich und deinen Content für die kommenden Veränderungen wappnen. Kein Weg führt daran vorbei, dich mit der Produktion von Videos auseinanderzusetzen. Ein guter Startpunkt, mit dem du Instagrams neuen Fokus sogar etwas umgehen kannst, ist die Animation von Grafiken. Indem du Infografiken, Memes oder sogar Fotos mit kleinen Animationen aufwertest, kannst du ähnlichen Content veröffentliche wie bisher, aber in Videoform.
Es ist ausserdem empfehlenswert, vorerst auf Instagram Reels zu setzen. Die Konkurrenz ist noch nicht so gross, weil sich die meisten grossen Creators mit Fokus auf Short-Form-Video auf TikTok rumtreiben. Zudem sind die Ansprüche der Zuschauerschaft an den Produktionsaufwand hier eher gering.
Quo vadis Instagram?
Zeiten ändern sich. Sollte Instagram seiner Ankündigung gerecht werden, stehen der Plattform grosse Veränderungen bevor. Die Facebook-Schwester möchte sich der Nutzerschaft – aber vor allem dem Markt anpassen. Ob das auch bedeutet, dass Instagram für seine Nutzer*innen spannender und für Marketer*innen attraktiver wird, muss sich zeigen.