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So geht Marketing für sehr renitente Zielgruppenmitglieder

Manche Menschen sind ein Traum jedes Marketers. Sie kaufen ein Produkt, nur weil sie den Radio-Jingle so eingängig finden, ihnen das Website-Design so gut gefällt oder sie den Promi mögen, der im TV-Werbe-Clip auftritt. Dann gibt es Personen, die nicht so einfach zu begeistern sind, aber sich dennoch mit grundständigen Marketing-Massnahmen überzeugen lassen. In der Praxis existiert jedoch noch eine dritte Gruppe: Personen, die den Eindruck erwecken, regelrecht werberesistent zu sein. Solche Menschen sind für Marketer nicht zwangsläufig verloren. Definitiv müssen sie jedoch anders angesprochen werden.

Werberesistenz: Weder Schreckgespenst noch faule Ausrede

Jede Agentur dürfte ihre „Pappenheimer“ kennen, an denen man schier verzweifeln könnte, weil selbst kreative Massnahmen nicht richtig zünden. Dennoch herrscht unter überraschend vielen Marketern die Ansicht vor, so etwas wie echte Werberesistenz gäbe es nicht.

Tatsächlich muss man hier etwas unterscheiden:

  • Wahr ist die Existenz von Personen und ganzen Gruppen, die deutlich resistenter gegenüber herkömmlichen Marketing-Massnahmen sind. Dies wurde unter anderem schon 2014 in einer niederländisch-US-amerikanisch coproduzierten Studie umfassend betrachtet. Für viele Experten werden diese Gruppen sogar beständig grösser.
  • Falsch ist die Ansicht, es gäbe grössere Personengruppen, die vollkommen unerreichbar für jegliche Bestrebungen sind, obwohl sie exakt zur Zielgruppe gehören.

Doch was bedeutet das für den praktisch orientierten Marketer? Vor allem das: Ja, bei einigen Kreisen muss man deutlich tiefer in die „Trickkiste“ greifen. Aber mit genügend Mühe und Kreativität lassen sich praktisch immer sämtliche relevanten Zielgruppenmitglieder erfassen.

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Der Schlüssel ist nur, das sei deutlich unterstrichen, mehr Aufwand betreiben zu müssen, einfach „bessere“ Werbung zu machen und sich nicht mit den Standards des Marketer-Werkzeugsortiments zu begnügen.

Aufmerksame erkennen es vielleicht: Die beste Strategie, um schwierige Zielgruppenmitglieder zu überzeugen, ähnelt verblüffend derjenigen Strategie, um sich allgemein von der Konkurrenz abzuheben.

Warum Werbung nicht wirkt und was Werberesistente daran nicht mögen

Die Existenz solcher Personen wären damit dargelegt. Stellt sich die Frage, warum genau eigentlich sehr gute und bei anderen Personen äusserst wirkungsvolle Strategien nicht verfangen – respektive, was Werberesistente nicht mögen.

Die dahinterstehenden Gründe haben sowohl mit Zeitgeist als auch soziokulturellen Phänomenen zu tun. Manche kommen sogar zum Ergebnis, Menschen würden Werbung generell nicht mögen – durch die Bank weg und nicht zwischen guter und schlechter Werbung unterscheidend. Als wichtigste Gründe für die steigenden Zahlen von werberesistenten Personen verorten Experten folgendes:

  1. Abnutzungs- bzw. Sättigungseffekte: Sie entstehen unter anderem durch übermässige Verwendung (sattsam) bekannter Marketing-Strategien und zu grosse Produktzentriertheit. Ebenso spielt die heutige Omnipräsenz von Werbung eine grosse Rolle – unter anderem durch die enorme Verbreitung digitaler Endgeräte und eines internet-zentrierten Lebensstils vieler Menschen befeuert. Tenor: Keine Website ohne Banner, kein Suchergebnis ohne Ads, kein Video ohne vorherigen Werbe-Clip.
    Weiter muss man hierbei die mittlerweile sehr lange Geschichte von Werbung anerkennen: Professionell geworben wird seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Damit nähern wir uns nicht nur einem Punkt, an dem Profi-Marketing seit 200 Jahren betrieben wird, sondern einem, an dem kaum noch Neues ersonnen werden kann.
  2. Gestiegene Zielgruppenkompetenz und Maturität: Immer mehr Menschen sind gegenüber Konsum, Kapitalismus etc. kritisch eingestellt und vergleichsweise gut über Marketing-Psychologie informiert. Das gestattet es ihnen, Werbung „zu durchschauen“. Beispielsweise belegte eine deutsche Studie schon 2009 die Fähigkeit erfahrener Internetnutzer, sich besser gegen die Wirkung von Online-Werbung abschirmen zu können.
  3. Zielgruppenzersplitterung: Hierdurch herrschen viel heterogenere, nuanciertere Ansichten bzw. Meinungen vor, selbst innerhalb einer Zielgruppe. Dadurch haben es Massnahmen deutlich schwerer, einen einheitlichen Geschmack zu treffen. Beispielsweise ist das Thema mehr Diversität in der Werbung deshalb eine hochkomplexe Gratwanderung: Einerseits ist die Diversität schlicht nötig, um die heutige gesellschaftliche Vielfalt realistisch abzubilden. Andererseits ist es um diese Vielfalt schon zwischen urbanen und ländlichen Regionen höchst unterschiedlich bestellt.
    Wo sich städtische Zielgruppenmitglieder etwa von einem Plakat mit Menschen unterschiedlicher Hautfarbe perfekt angesprochen fühlen, weil das ihrer urbanen Lebensrealität entspricht, können sich Landbewohner aufgrund anderer Erfahrungen von derselben Werbung nicht mitgenommen fühlen.
  4. Internet-Mentalität: Damit lässt sich ein weitverbreitetes Empfinden einer „Gratis-Kultur“ umschreiben. Das Internet hat bei vielen Menschen den Eindruck erweckt, es sei möglich, Dinge kostenlos zu bekommen. Wo etwa das wöchentliche gedruckte Nachrichtenmagazin fünf Franken kostet, sind (oder waren bei vielen Häusern zumindest lange Zeit) dieselben Informationen auf der Website „kostenlos“ lesbar.
    Diese Erfahrung hat sich tief in das Denken vieler Menschen eingebrannt. Dabei wird ignoriert, dass Online-Produkte naturgemäss ebenfalls nicht kostenfrei erzeugt werden können. Dadurch empfinden viele Personen Werbung heutzutage als überaus störend. Just heute ist das problematisch, weil die tatsächliche Gratis-Kultur des Internets sich stark dem Ende entgegenneigt.
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Nehmen wir als Beispiel einen fiktiven Werbespot für ein als nachhaltig beworbenes Anti-Aging-Unisex-Hautpflegeprodukt einer Firma, die sich bislang nur an Frauen richtete. Er zeigt ein Hetero-Paar unterschiedlicher Hautfarbe Anfang 30 beim gegenseitigen morgendlichen Eincremen. Ausgestrahlt wird der Spot vor Clips auf Videoplattformen und im Free-TV. Dergestalt könnte er gleich bei mehreren werberesistenten Personengruppen nicht verfangen.

  • Frauen, weil sie dem Unternehmen ankreiden, nunmehr auch eine männliche Zielgruppe anzusprechen.
  • Internetnutzer, weil sie den Spot ansehen müssen, bevor ihr gewünschter Clip gespielt wird.
  • Konsumkritiker, weil es ein Produkt einer grossen Firma ist.
  • Männer, die derartige Pflegeprodukte „unmännlich“ finden.
  • Menschen die sich mit der dargestellten Diversität nicht identifizieren.
  • Natur- oder Umweltschützer, die Greenwashing vermuten, etwa weil das Produkt in einer Plastikflasche steckt.
  • Menschen, deren eigenes Beziehungsmodell nicht den „klassischen“ Vorstellungen von Hetero-Paaren entspricht.
  • Personen, die die dargestellte Alltagssituation als langweilig und unkreativ ansehen.
  • Senioren, die nicht finden, man müsse Anfang 30 Anti-Aging-Produkte benutzen.
  • Singles, die sich an der Paar-Darstellung stören.
  • TV-Zuschauer, weil sie generell den Werbeblock als störend ansehen oder ihn bei einer digitalen Aufnahme nicht vorspulen können.
  • Werbegegner, weil der Spot ausschliesslich bewirbt, statt zu unterhalten oder zu informieren.

Natürlich ist dieses Beispiel absichtlich überspitzt dargestellt. Aber es zeigt dadurch eindrücklich, warum es heutzutage so schwierig ist, mit einer Massnahme eine breite Zielgruppe gemeinsam zu erfassen.  

Wohl ist man als Marketer gewohnt, niemals alle gleichermassen ansprechen zu können. Allerdings war es aufgrund solcher Werberesistenzen noch nie leichter, einen eigentlich wichtigen Zielgruppenteil nicht zu erreichen. Stellt sich die Frage: Was kann man dagegen tun?

Werberesistenz durchbrechen: Wie solche Menschen trotz allem angesprochen werden können

Aufgeben ist keine Option. Damit lässt sich eine Mentalität umschreiben, die jeder Marketer verinnerlichen muss. Die Zielgruppe ist wichtig für das Produkt und sie kann auch angesprochen und mitgenommen werden – bloss nicht mit naheliegenden Methoden.

Die folgenden Werkzeuge gelten dabei als besonders wichtig und wirksam.

1. Detaillierteste Zielgruppenanalysen und -rankings

Zielgruppenanalysen waren noch niemals etwas, das schnell und simpel erledigt werden konnte. Doch gerade im Angesicht von werberesistenten Menschen bekommt der Aufwand eine völlig neue Gewichtung. Das bedeutet

  1. die Zielgruppe muss aufs Genaueste umrissen werden;
  2. alle unterschiedlichen Gruppen innerhalb davon müssen präzise definiert und dabei ihre Zu- und Abneigungen bestimmt werden;
  3. es muss eine Bewertung bzw. ein Ranking dieser Mikrogruppen hinsichtlich ihrer Grösse und Bedeutung erfolgen.

Das wird naturgemäss umso schwieriger, je breiter der Personenkreis ist, der von einem Produkt überzeugt werden muss. Je nachdem kann es deshalb unter sämtlichen Aspekten sogar besser sein, wenn der Hersteller sein einzelnes Produkt in mehrere Produkte aufteilt.

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Dazu sei auf den oben genannten Beispiel-Clip verwiesen. Gleich mehrere der dargestellten Herausforderungen könnten sich einfacher lösen lassen, wenn es keine Unisex-Creme wäre. Das würde es gestatten, zielgruppenspezifischer zu werben. Apropos:

2. Kein „One fits all“-Marketing

Es gibt Produkte, bei denen ist die Zielgruppe heterogen genug, um alle Mitglieder mit einer einzelnen Kampagne mitzunehmen. Das ist ein Grund, warum es leichter sein kann, ein Produkt in mehrere aufzusplitten, wenn die ursprüngliche Zielgruppe sehr gross ist.

Wo das jedoch nicht der Fall ist, sollten Marketer vom Gedanken Abstand nehmen, es sei möglich, alle mit einer Kampagne anzusprechen. Das wird heute insbesondere aufgrund der gesellschaftlichen Diversifizierung bzw. Meinungszersplitterung enorm schwierig bis unmöglich sein.

Das folgerichtige Ergebnis kann nur lauten, Werbung ebenso zu diversifizieren –wie es die Zielgruppenanalyse ergibt.

3. Keine (überzogene) Lebensverbesserung anpreisen

Die Botschaft einer grossen Anzahl von Produkten und Werbungen ist eindeutig: Wer das Produkt nutzt, wird dadurch sein Leben massiv verbessern. Manche gehen sogar so weit und agieren, als würde ein Produkt eine enorme Rolle im Leben der Zielgruppenmitglieder spielen.

Bei den allermeisten Produkten ist das jedoch nicht der Fall. Weder durchbricht eine Frau leichter die gläserne Decke, weil sie dank Creme jetzt weniger Fältchen hat, noch denkt eine Heimwerkerin pausenlos darüber nach, was sie mit dem neuen Akkubohrer alles anstellen kann.

Die meisten Produkte, so gut sie sein mögen, spielen im Leben der Zielgruppenmitglieder nur eine kleine Rolle. Dies anzuerkennen, bedeutet automatisch, realistischer zu werben – was allerdings ebenso erfordert, als Marketer das auftraggebende Unternehmen davon zu überzeugen, sein Produkt realistischer einzuschätzen. Eines der prägnantesten Beispiele für ein vorbildliches Vorgehen ist eine Kampagne von (US) T-Mobile aus dem Jahr 2015.

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Hierzu gehört ebenso die Produktqualität: Ein schlechtes Produkt lässt sich nicht gut bewerben. Mehr noch, Werbung wird durch die steigende Tendenz, zuvor Rezensionen zu konsultieren, vielleicht sogar als Lüge angesehen.

4. Überraschend werben

Je weiter Werbung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht vom eigentlichen Kauf und Konsum entfernt ist, desto schwieriger ist es, zu werben. Denn in dem Fall ist es nötig, im Gedächtnis zu bleiben. Das wiederum wird von vielen werberesistenten Menschen als versuchte Manipulation entlarvt und entsprechend abgestraft.

Frei nach dem Motto „Ich kaufe das Produkt gerade deshalb nicht, weil man mich durch Werbung manipulieren möchte, es zu kaufen“.

Gegen eine solche Einstellung kann nur Hartnäckigkeit bestehen. Doch wie? Eine erwiesenermassen bewährte Methode ist es, am Point of Sale zu überzeugen. Dadurch bekommt die Verpackung einen extrem wichtigen Stellenwert. Eine sorgfältige Gestaltung in Sachen Material und Aufmachung (inklusive Portionsgrösse) kann in diesem Fall genug Überraschung erzeugen, um selbst diejenigen anzusprechen, die sich vorherigen Werbemassnahmen ostentativ verweigerten.

Naturgemäss haben hierbei Produkte, die im stationären Handel vertrieben werden, einen deutlichen Vorteil. Allerdings kann das Konzept ebenso online funktionieren, wenn es bei der medialen Gestaltung sorgsam aufgefangen wird.

5. Maximale Ehrlichkeit

Werbungen, die ein Produkt grösser machen, als es ist, gibt es zur Genüge. Dadurch tragen sie eine nicht zu leugnende Teilschuld dafür, warum immer mehr Menschen Werberesistenz entwickeln.

Dieses „grösser machen“ hat viele Gesichter:

  • Überzogene Vorher-Nachher-Darstellungen.
  • Völlig übertriebene Darstellungen des Impakts auf das Leben der werbenden Personen.
  • Verwenden verklausulierter Begriffe oder Sätze, wodurch simple (vielleicht unangenehme) Tatsachen kaschiert werden. Etwa die Wörter „Urea“ und „AdBlue“ anstelle von „Harnstoff“.
  • Testimonials, denen man schon von weitem ansieht, dass hier keine echten Anwender sprechen.
  • Mediale Darstellungen weit weg von der Realität – etwa die seit Jahrzehnten verlachte, aber immer noch bis auf Ausnahmen gängige Verwendung blauer Flüssigkeiten beim Bewerben von Menstruationsprodukten.
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Es gibt weitere solcher Beispiele. Stets sollten Marketer versuchen, das Gegenteil zu machen. Egal wie optimal ein Produkt dargestellt werden soll, es bringt definitiv etwas, dabei den Realismusgrad zu maximieren. Um einmal mehr das obige Beispiel der Anti-Aging-Creme zu bemühen, könnte der Text aus dem Off so klingen:

„Unsere Creme kann sie nicht wieder zum Teenager machen oder ihren Alltag
weniger anstrengend gestalten. Aber sie kann ihnen definitiv dabei helfen,
sich einfach besser in ihrer Haut zu fühlen und so all den grossen und
kleinen Herausforderungen des Lebens positiver zu begegnen.“

6. Entertainment statt Advertising

Je nach Medium kann Werbung schlichtweg stören oder sogar nerven. Diesen Fakt müssen Marketer und Hersteller akzeptieren. Wer ein YouTube-Video anschauen möchte, der findet es in aller Regel einfach nicht angenehm, wenn zuvor ein Werbespot abgespielt wird, den er nicht nur nicht wegklicken kann, sondern bei dem automatisch Untertitel eingeschaltet werden, um eine heruntergedrehte Lautstärke zu umgehen.

Gerade weil das Internet für immer mehr Menschen ein zentraler Lieferant für Unterhaltung und Information ist, sollten Marketer von dem Gedanken wegkommen, hier könne eine „Brechstangen-Methode“ wie die gerade skizzierte helfen. Sie wird bei vielen das genaue Gegenteil erzeugen.

„Produkt XYZ? Das sind doch die, die vor jedem Clip Werbung schalten. Von denen kaufe ich schon aus Prinzip nichts. Ich belohne es doch nicht noch, dauernd gestört zu werden.“

Diese Mentalität ist in den Köpfen vieler Zielgruppenmitglieder weitverbreitet. Sie wird umso relevanter, je weniger die Werbung ignoriert werden kann. In einer Zeitung kann man weiterblättern, bei einer Plakatwerbung wegschauen, im Free-TV umschalten. Wenn jedoch eine Website oder eine App Adblocker verbietet oder Werbung nicht wegklickbar gestaltet, dann wird daraus für viele ein Ärgernis.

Nun könnte mancher Marketer der Ansicht sein, dies sei ein Problem des Mediums, bzw. der Plattform, nicht des Produkts. Diese Denkweise ist jedoch falsch:

  • Die Werbung ist das, was zuerst gesehen wird.
  • Die wenigsten User unterscheiden in dieser Hinsicht zwischen Plattform und Werbung bzw. Hersteller.
  • Die Werbung muss gesehen werden, selbst wenn die Plattform dies veranlasst.

Die einzige Möglichkeit, die bleibt, besteht darin, Werbung maximal als Entertainment zu gestalten. Nein, nicht als absichtlich sehr tränenreiches Rührstück, wie es seit einigen Jahren vor Weihnachten der Fall ist. Sondern als etwas, bei dem die angenehme Unterhaltung weit im Vordergrund steht.

Der Kunde „muss“ die Werbung sehen, also sollte man ihm diesen Zwang so leicht wie möglich machen. Und wo ein Spot im Netz nach einigen Sekunden weggeklickt werden kann, ist es überdies nötig, bereits in dieser genau bemessenen Zeitspanne klarzumachen „Wir möchten dich unterhalten, während du auf dein eigentliches Video warten musst“.

Das deckt sich übrigens mit dem Gedanken, wonach ein Produkt dem Nutzer einen messbaren Effekt, eine Dienstleistung, liefern soll. Unterhaltende Werbung ist nur die logische Ergänzung dieser völlig richtigen Denkweise.

7. Bedürfnisse statt Wünsche ansprechen

Viele Menschen sind aktuell deshalb werberesistent, weil wir in wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten leben. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, wie sehr die Schweiz derzeit in Sachen Inflation eine „Insel der Ausnahme“ inmitten vieler uns umgebender Länder darstellt.

Schon in Deutschland sieht es völlig anders aus. Dort stiegen die Verbraucherpreise seit Beginn des Ukraine-Krieges in geradezu dramatischer Weise – nachdem sich schon während der Pandemie angezogen hatten.

Viele Produkte oder zumindest deren Preisrahmen sind deshalb heute für Menschen zu einem Luxus geworden. Also etwas, das man sich vielleicht wünscht, aber nicht wirklich benötigt. Wer in solchen Zeiten in seiner Werbung weiterhin auf Wünsche abhebt, der wirbt dementsprechend sehr schnell an der Lebensrealität vieler Zielgruppenmitglieder vorbei.

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Das ist – zugegeben – für einige Produkte ein echtes Problem, weil sie sich kaum sinnvoll bewerben lassen. Viele andere Produkte gestatten jedoch diesen Spagat. Bedeutet, in der Werbung wird viel stärker betont, welche rationalen Bedürfnisse damit befriedigt werden können, anstelle von womöglich nicht zeitgemässen Wünschen.

8. Auf Antiwerbung und Selbstironie setzen

Wer werberesistente Menschen ansprechen möchte, der darf definitiv keine Angst haben – etwa, wenn es darum geht, eingetretene Pfade zu verlassen. Vieles, was auf den zurückliegenden Zeilen erläutert wurde, erfordert definitiv Mut. Allerdings stellen sowohl Antiwerbung als auch Selbstironie zweifelsohne den Gipfel dar – ein Spielfeld für nicht bloss sprichwörtlich „furchtlose“ Marketer.

Im Prinzip haben wir es hierbei mit einer Variante umgekehrter Psychologie zu tun. Auf einen Satz heruntergebrochen „Dieses Produkt ist eigentlich nicht für dich gedacht“ oder „Eigentlich sollst du dieses Produkt gar nicht benutzen.

Vor einigen Jahren etwa lancierte ein Startup ein Handy namens Light Phone – es zeichnet sich durch aufs extreme Minimum reduzierte Features aus. Bis heute lautet der Slogan der Firma „Designed to be used as little as possible“.

Ein anderes Beispiel ist die Dating-App Hinge. Sie wurde in verschiedenen Varianten offensiv damit beworben, möglichst bald wieder gelöscht zu werden. Der berühmteste Slogan „The dating app designed to be deleted“.

Es geht also nicht darum, mit Selbstironie oder Antiwerbung das Produkt an sich schlechtzureden. Mehr darum, ihm durch diese Werkzeuge einen spannenden „Twist“ zu geben und dadurch zu überraschen. Übrigens zeichnen sich beide Beispiele dadurch aus, der Maxime von Ehrlichkeit zu entsprechen: Das Handy will explizit bei einem entschleunigten Leben ohne digitale Dauer-Ablenkung helfen, die Dating-App Menschen zusammenführen, sodass sie nicht mehr daten müssen.

Fazit

Er schaut keine Spots auf YouTube, surft nur mit eingeschaltetem Adblocker, schaltet bei TV-Werbung immer um und klickt schon ostentativ nicht die ihm Rahmen von SEA-Massnahmen oben angezeigten Firmen in der Suchmaschine. Eine solche Person ist für jeden Marketer und Gewerbetreibenden eine sehr harte Nuss.

Aber: Werbung ist letztlich nur Psychologie. Daher gibt es bei fast jedem Menschen einen Hebel, mit dem er dazu bewegt werden kann, ein Produkt zu kaufen. Man muss nur gewillt sein, unkonventionellere Wege zu gehen.

Redaktion

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