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Kodizes und Codes of Conduct: Ist Influencer Marketing überhaupt ethisch?

Source: businessinsider.com

Eine Story auf Instagram hier, ein Video auf TikTok da… Das Influencer Marketing boomt auch in der Schweiz. Etliche Unternehmen setzen auf die Opinion Leader online, um ihre Produkte oder Dienstleistungen an die (teilweise Banner-Blinden) User auf Social Media zu bringen. Aber ist das Nutzen von Influencer*innen für das Vermarkten von Angeboten «in Ordnung»?

Ethische Verhaltensgrundsätze kennen wir in diversen Bereichen unseres Lebens, ob privat oder geschäftlich. So erwartet die Gesellschaft ein ethisches Handeln der Partizipierenden und auch Unternehmen stellen Regeln auf oder stärken Normen, nach denen Mitarbeitende handeln sollen.

Das Marketing sollte ebenfalls ethischen Standards unterliegen, auch wenn diese bisher nicht schriftlich als Kodex festgehalten wurden. Mit dem Internet muss eine weitere Dimension in den Diskurs mit aufgenommen werden, müssen wir uns nun nämlich nicht «nur» offline, sondern auch online ethisch korrekt verhalten.

Das Aufkommen der Influencer*innen

Seit Jahren bedient sich das Marketing zudem einer neuen Werbetechnik: dem Influencer Marketing. Dass Influencer*innen als Meinungsführer und bekannte Persönlichkeiten einen besonders starken Einfluss auf ihre Follower haben und somit entsprechend viel Verantwortung tragen, erkennen immer mehr Unternehmen und auch Agenturen.

In den Jahren 2018 und 2019 stellte darum der BVIM (Bundesverband Influencer Marketing) in Deutschland bereits Recherchen und Interviews an, um schliesslich ein Whitepaper unter dem Titel «Ethikkodex Influencer-Kommunikation» zu veröffentlichen.

Auch in der Schweiz ist Ethik im Influencer Marketing ein Thema. So hat die Influencer Agentur Kingfluencers im Rahmen ihres Conscious Influencer Hubs im Mai 2021 einen Code of Conduct lanciert, der Influencer*innen Anhaltspunkte dazu geben soll, worauf sie sich ihn ihrer Rolle als Opinion Leader achten müssen.

Die Richtlinien im Überblick

Wir wollen nun einen Blick auf den Code of Conduct und den Ethikkodex werfen, um Schlüsse daraus zu ziehen und sie zu vergleichen.

Der Code of Conduct

Die einzelnen Punkte des Kinfluencers Code of Conducts lauten:

  • Was du tust und sagst beeinflusst andere.
  • Du bist ein Vorbild für Empathie und Respekt.
  • Du gehst mit sensiblen Themen besonders verantwortungsvoll um.
  • Du hast Sexismus auf dem Radar.
  • Du bleibst sachlich und überprüfst Deine Quellen.
  • Du übernimmst Verantwortung für Deine Fehleinschätzungen.
  • Du bist ehrlich und transparent.
  • Du bist Dir deiner Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen bewusst.
  • Du achtest auf die Privatsphäre anderer.
  • Du respektierst die Spielregeln der analogen Welt auch online.

Der Code of Conduct geht stark auf die Verantwortung der Influencer*innen ein, primär auch gegenüber ihren Followern. Sie fordern die Influencer*innen dazu auf, auch sozial-politische Themen im Hinterkopf zu behalten und sich bewusst zu sein, welche Auswirkung ihre Posts haben. Minderjährige und Drittpersonen im allgemeinen sollen zudem geschützt werden.

Der Ethikkodex Influencer-Kommunikation

Die zehn Grundsätze im Ethikkodex aus Deutschland sehen so aus:

  • Alle AkteurInnen handeln eigenständig.
  • Alle AkteurInnen handeln transparent.
  • Alle AkteurInnen handeln aufrichtig.
  • Alle AkteurInnen handeln wahrheitsgetreu.
  • Alle AkteurInnen tragen Fürsorge für schutzbedürftige oder benachteiligte Personengruppen.
  • Alle AkteurInnen handeln professionell.
  • Alle AkteurInnen pflegen einen wertschätzenden Umgang miteinander.
  • Alle AkteurInnen gehen respektvoll miteinander um.
  • Alle AkteurInnen verhalten sich loyal gegenüber einander.
  • Alle AkteurInnen handeln verantwortungsvoll.

Der Kodex und der Code of Conduct weisen einige Ähnlichkeiten auf, vor allem in den Bereichen der Verantwortung gegenüber Dritten und dem Thema Respekt. Beim Kodex wird jedoch noch stärker betont, dass Influencer*innen (wie auch Unternehmen und Vermittler) transparent und ehrlich sein sollen. Das Kennzeichnen von Werbung wird unter dem Punkt Transparenz ebenfalls angesprochen. Der Kodex bezieht sich auch auf die Zeit nach einer Kooperation zwischen Influencer*in und Brand. So sollen die Opinion Leader auch nach Abschluss der Zusammenarbeit eine gewisse Loyalität beibehalten.

Sind Ethik-Regeln notwendig?

Kurz gesagt: Ja. Auch wenn der Code of Conduct beispielsweise nicht Gesetz ist für Schweizer Influencer*innen, so gibt er doch Anhaltspunkte dazu, was ethisch ist im Business und was nicht. Ohne ein Niederschreiben der Grundsätze oder der angestrebten Verhaltensweisen gibt es kaum Möglichkeiten, eine Praxis zu vereinheitlichen und Influencer*innen zu einem gewissen Standard zu halten.

Ein Kodex oder ein Code of Conduct liefert Unternehmen und Brands ein Papier, welches sie nutzen können, wenn sie Kooperationen aufsetzen. Es kann für Unternehmen schwierig sein, ethische Grundsätze für eine gesamte «Branche» zusammenzufassen, weshalb das Erstellen dieser durch erfahrene Personen durchaus hilfreich ist.

Ethik ist geteilte Verantwortung

Bei einer Kooperation gibt es aber immer mindestens zwei Parteien: das Unternehmen und der/die Influencer*in. Beide müssen den ethischen Standards gerecht werden und sich für deren Einhaltung einsetzen, ansonsten sind jegliche Richtlinien im Endeffekt nutzlos.

Brands und Unternehmen

Will ein Unternehmen eine Zusammenarbeit mit einer/einem Influencer*in, so ist es seine Verantwortung, eine Internetpersönlichkeit auszusuchen, welche die ethischen Grundsätze erfüllen kann. Wählt das Unternehmen eine kontroverse Person aus oder jemand, der beispielsweise dafür bekannt ist, gesponserte Posts nicht als Werbung zu deklarieren oder ähnliches, so kann das Unternehmen aktiv dazu beitragen, unethische Praktiken zu fördern.

Ebenfalls ist es Sache der Unternehmen, klare Vereinbarungen mit den Influencer*innen zu treffen und Konsequenzen (Abbruch der Zusammenarbeit) zu ziehen, wenn die Influencer*innen dagegen verstossen. Ein schriftlicher Vertrag, in dem auf die Verhaltensweisen hingewiesen wird, sollte immer dazugehören. Natürlich soll ein Unternehmer den Influencer*innen nicht im Detail vorschreiben, was sie wie, wann und wo zu sagen haben, denn das wirkt schnell unauthentisch und fake. Doch Richtlinien oder «Spielregeln» sollten bewusst aufgestellt werden.

Influencer und Influencerinnen

Den Influencer*innen als Hauptakteur*innen kommt natürlich eine besonders wichtige Rolle zugeschrieben, wenn es um die Einhaltung von ethischen Grundsätzen geht. Das fängt bereits mit der Wahl der Kooperationspartner*innen an. Influencer*innen haben oft ein sehr junges Publikum. Ihnen Produkte oder Dienstleistungen zu empfehlen, die schädlich oder gefährlich sind oder beispielsweise das Erreichen von unrealistischen Schönheitsstandards promoten, ist verantwortungslos. Kaum überraschend hagelte es beispielsweise nach diesem Post von Kim Kardashian Kritik. Der Promi hatte einen Diät-Lollipop promotet, der Appetitstillend sein solle.

kim kardashian ad lollipop scaled

Während einer Zusammenarbeit sind Influencer*innen zudem ihrem Auftraggeber und ihren Followern verpflichtet: So sollten sie nicht Konkurrenten der Unternehmen miteinbeziehen, wenn sie das Produkt oder die Dienstleistung ihres Auftraggebers besprechen. Den Followern gegenüber müssen Influencer*innen transparent und ehrlich sein. Das bedeutet auch, Werbung als solche zu kennzeichnen.

Die dunkle Seite des Influencer Marketings

Ein Kritikpunkt an Influencer*innen ist, dass sie ihre Reichweite nutzen, um ihren Followern Produkte oder Dienstleistungen anzudrehen, um so Geld zu verdienen. Tatsächlich kann dies problematisch sein, vor allem wenn der/die Influencer*in etwas promotet, von dem er/sie selbst nicht überzeugt ist.

Es gibt zahlreiche Beispiele von Influencer-Fails, eines der prominentesten Beispiele ist das gescheiterte Fyre Festival im Jahr 2017 (über welches es übrigens sogar eine Doku gibt). Long story short: Das Festival wurde angepriesen als riesiger, luxuriöser Event. Diverse Influencer*innen, Models und Promis wurden vom Veranstalter bezahlt, das Festival online zu promoten, was diese auch taten. Als das Festival schliesslich «stattfand» kam heraus: Das Ganze war ein grosser Scam. Von Luxus keine Spur, Geschweige denn von all den Künstler*innen und Acts, die versprochen wurden.

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Bildquelle: capital.de

Ist ethisches Beeinflussen realistisch?

Unter Berücksichtigung solcher Fehltritte wie dem Promoten eines inexistenten Festivals wirkt es so, als sei das Influencen recht problematisch. Und das ist auch der Fall, wenn Unternehmen Kund*innen über den Tisch ziehen wollen und Influencer*innen lieber schnell Geld machen wollen, als ihren Followern wirklich gute Angebote zu vermitteln.

Wenn sich aber beide Parteien a) für die Konsument*innen interessieren und b) sich ihrer Verantwortung bewusst sind, so kann das Influencer Marketing ethisch umgesetzt werden. Und um sicherzustellen, dass Grundsätze befolgt werden, sind die zu Beginn erwähnten Dokumente hilfreiche Instrumente.

Nicole Langhart

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