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Marcel Hollerbach erklärt: Wie geht digitales Marketing ohne Cookies?

Source: businessinsider.com

Ein Überblick über Herausforderungen und Chancen – und was Mozilla, Google und Apple damit zu tun haben.

Jeder kennt die kleinen Pop-up-Fenster, die beim Surfen aufploppen und einfordern, die individuellen Datenschutzeinstellungen festzulegen. Oder genauer gesagt, welche Cookies dürfen gesetzt werden, um Daten zu sammeln, die wiederum dabei helfen, gezielt personalisierte Werbung an dieser (First-Party-Cookies) oder eben andere Stelle (Third-Party-Cookies) ausspielen.

Jahrelang wurden solche Werbe-Cookies ungefragt gesetzt. Im Mai 2020 entschied schließlich auch der Bundesgerichtshof, dass der bisherige deutsche Sonderweg der vorausgefüllten Zustimmung nicht mehr rechtens ist. Europaweit war vorher schon klar: Das Ende der Cookies wird kommen und somit die Online-Werbewirtschaft vor völlig neue Herausforderungen stellen. Was also bringt die Zukunft für werbetreibende Unternehmen? Wie können Nutzer ohne Cookies erreicht werden und welche Entwicklungen bestimmen derzeit den Markt?

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Marcel Hollerbach, Chief Innovation Officer von Productsup, zeigt auf,
welche Auswirkungen das Ende der Cookie-Ära hat.

Was haben Safari, Firefox und Chrome mit der Tracking-Diskussion zu tun?

Klar ist: Das Ende der Cookie-Ära verändert das digitale Marketing grundlegend. Auch Google, Mozilla und Apple wittern ihre Chance, Teil der Veränderung zu sein und haben angekündigt, Cookies in ihren eigenen Produkten Chrome, Firefox und Safari stark einzuschränken. Während Mozilla schon lange vor allem Drittanbieter-Cookies für alle Browsernutzer:innen blockiert, hat Google einen ähnlichen Schritt angekündigt.

Vordergründig argumentieren die Browserhersteller damit, den Datenschutz voranzutreiben, doch die Marketingbranche und Datenschutzexperten sehen die Gefahren: Player wie Google entwickeln neue Technologien, die ihnen selbst zugutekommen, bestimmen letztendlich den Markt und somit auch darüber, wer reindarf und wer nicht (Walled Garden: geschlossene Plattformen). Mozilla Firefox stellt zwar die Internetnutzer:innen in den Vordergrund, wodurch sich aber gerade für Marketer mehr Beschränkungen und Herausforderungen ergeben.

Generell kann man sagen, dass für die Nutzer:innen der Wegfall der Cookies erstmal gut ist, denn das aufdringliche Retargeting hat nicht nur die Akzeptanz, sondern auch die ganze Digitalbranche negativ beeinflusst. Die neu entwickelten Technologien, wie etwa Googles Federated Learning of Cohorts (FLoC) wird meiner Meinung nach jedoch zu Beginn ein Vakuum entstehen lassen. Große Firmen, wie z.B. Mytheresa können sich schnell an neue Systeme anpassen, doch die kleinen Händler, die nicht die notwendigen Ressourcen besitzen, werden es schwer haben sich schnell ein- oder umzustellen. Die großen Marken werden von den neuen Technologien profitieren, doch die kleinen werden zunächst hinten runterfallen. 

Social Commerce und E-Mail-Marketing als Alternativen

Eine Alternative, die viele kleinere Unternehmen bisher noch nicht auf dem Schirm haben, ist der Social Commerce, also die Möglichkeit, über soziale Medien zu verkaufen und hier direkt die passenden Zielgruppen zu erreichen. Es ist vielleicht nicht der beste Weg, Kunden zu erreichen, aber definitiv der schnellste und eine gute Gelegenheit, zunächst die Cookies umgehen zu können. Selbst Händler ohne eigenen Shop können hier die vorhandenen Systeme wie Facebook Shops oder Instagram Checkout nutzen. Und noch ein anderer Grund ist hier nicht immer sofort erkennbar, aber ein großer Vorteil für kleinere Händler: Die Plattformen von Facebook, TikTok oder Instagram selbst sind keine Händler und somit keine Mitbewerber, wie das etwa bei Amazon der Fall ist. Gerade Großhändler haben dahingegen oft das Problem, dass Amazon die gleichen oder ähnliche Produkte im Angebot hat und kommen dagegen kaum noch an.

Des Weiteren sind klassisches E-Mail-Marketing und auch E-Mail-Remarketing wieder im Aufschwung und können Nutzer oft besser zurückholen als das klassische Anzeigengeschäft. Wurde der Warenkorb abgebrochen und der Kunde braucht Hilfe? Braucht er eventuell das gleiche nach einer gewissen Zeit nochmal? Kleinere Händler können so einen eigene Datenpool aufbauen und ihre Kunden individuell kennenlernen. Auch die technischen Hilfsmittel werden dafür immer besser: Ein Shop kann mit Hilfe von Shopify erstellt und Systeme wie Mailchimp für das E-Mail-Marketing genutzt werden.

Vorsicht vor der Anarchie des Handels  

Wie schon erwähnt, ist es leider eine traurige Tatsache, dass die meisten Marken und Einzelhändler nicht die Ressourcen haben, um direkt mit den Plattformen zu konkurrieren, auf denen sie dennoch präsent sein müssen. Außerdem haben die unterschiedlichen Plattformen andere Anforderungen an die feilgebotenen Produktbeschreibungen. Hier gilt es, immer einen Überblick und gleichzeitig überall immer alle Daten aktuell zu behalten. Diese Komplexität führt häufig dazu, dass der Kunde dennoch nicht die richtigen und passenden Produktinhalte erhält. Von einem falsch formatierten Foto bis hin zu einer ungenauen Meta-Beschreibung – diese Fehler können die Customer Journey abrupt beenden und den Ruf einer Marke nachhaltig schädigen. 

Um gegen Marktführer wie Amazon zu bestehen, müssen Marken und Einzelhändler daher positive Kundenerlebnisse schaffen – und das beginnt mit konsistenten Produktinhalten. Händler sollten daher drei Dinge besonders beachten: Produktinhalte sollten möglichst genau sein, zentralisiert gespeichert werden und personalisiert werden. Denn Unternehmen, die das Handelschaos beherrschen, schaffen engere Beziehungen zu ihren Kunden. Der Fitness-Bike-Hersteller Peloton zum Beispiel kombiniert in seinem Angebot Hardware, Software und ein großes Community-Engagement. Das Unternehmen geht über soziale Medien auf den Markt und nutzt seine Community-Trainer für eine direktere und persönlichere Ansprache. Der individuelle Ansatz von Peloton funktioniert ganz offensichtlich, wie mehr als 1,5 Millionen Abonnenten und eine treue Kundengemeinschaft beweisen.

Zukunft wird jetzt entschieden

Das Ende der Cookies ist für die Werbebranche auch eine echte Chance, denn jetzt ist es an der Zeit, ein besseres System zu erschaffen, welches auf Transparenz basiert und von den Nutzern akzeptiert wird. Publisher müssen in den Dialog mit den Nutzern treten und klar kommunizieren, welche Daten aus welchen Gründen gesammelt werden. Am Ende könnte ein Zustand erreicht werden, in dem Nutzer dankbar für Werbung und nicht mehr nur genervt davon sind.

Marcel Hollerbach

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