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Einflussreiche Marketingkampagnen in der Geschichte – Teil 3: It’s Marketing-Barbie!

Sie ist schlank, blond und seit letztem Sommer wieder in aller Munde: Barbie hat zweifellos einige glamouröse Monate im Rampenlicht hinter sich – dabei galt die Spielzeugpuppe bis vor Kurzem eigentlich als recht unbeliebt. Wie Barbie ein solch gelungenes Comeback hingelegt hat, und wie sie es schaffte, über rund sechs Jahrzehnte relevant zu bleiben, zeigen wir dir in diesem dritten und letzten Teil der einflussreichsten Marketingkampagnen der Geschichte.

Es war der wohl meist-gehypte Film des letzten Jahres: Barbie von Greta Gerwig hat im Sommer 2023 so einige Rekorde gebrochen. Nicht nur hat der Film unglaubliche Umsatzzahlen geschrieben, sondern er hat auch dazu beigetragen, dass die Beliebtheit von Barbie neue Höhen erreichte. Wo Barbie aufgrund ihrer unrealistischen Figur und der fehlenden kulturellen Diversität vor rund einem Jahr noch als leicht problematisches Spielzeug galt, ist sie heute eine Heldin.

Tatsächlich ist dieser Image-Wandel jedoch nicht nur das Resultat eines einzigen Films. Vielmehr baut er auf jahrzehntelangen Marketingstrategien des Herstellers Mattel auf. Das Unternehmen hat seit der Geburtsstunde von Barbie im Jahr 1959 immer wieder mit heftiger Kritik an der Puppe gekämpft und diese erfolgreich navigiert. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns deshalb mit dem Marketing von Barbie und werfen einen genauen Blick auf die Strategien, welche der Barbie-Puppe trotz anhaltender Kritik über sechs Jahrzehnte einen Platz in den Regalen der Spielwarengeschäfte gesichert hat.

Die Entstehung von Barbie: Eine «erwachsene» Puppe für Kinder

Die Idee für Barbie entstand, als Ruth Handler im Jahr 1957 auf ihrer Schweiz-Reise in einem Schaufenster in Luzern eine Puppe entdeckte. Anders als die meisten Spielzeugpuppen der Zeit glich diese Puppe nicht einem Kleinkind, sondern einer jungen Frau. Anstatt also «Mutter und Kind» mit der Puppe zu spielen, konnte man sie ankleiden und frisieren. Ruth fand Gefallen an dem Spielzeug und brachte es ihrer Tochter in die USA mit.

Die Puppe war unter dem Namen «Lilli» im deutschsprachigen Raum bereits seit 1955 weit bekannt. Entsprungen war sie einer Comic-Reihe der «Bild»-Zeitung und diente eher zu Werbezwecken oder als Dekoration anstatt als Spielzeug für Kinder. Barbara, die Tochter von Ruth Handler, fand jedoch grossen Gefallen am Geschenk ihrer Mutter. Sie liebte es, Lilli anzukleiden und ihren blonden Pferdeschwanz neu zu frisieren. Dieser Enthusiasmus blieb bei Ruth nicht unbemerkt.

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Quelle: theconversation.com

Schon bald entwarf Ruth gemeinsam mit ihrem Mann, der ein Mitbegründer der Spielzeugfirma Mattel war, ein Konzept für eine Mannequin-Puppe. Diese neue Puppe sollte der Lilli-Puppe in ihrem Aussehen ähneln, jedoch explizit für das Ankleiden und Frisieren entwickelt sein, was ein absolutes Novum im der Spielzeugwelt darstellte. Einen Namen für die Puppe hatte sich Ruth auch schon ausgedacht: Barbie – der Spitznamen ihrer Tochter Barbara.

1959 kam Barbie schliesslich auf den Markt. Bei Eltern stiess sie mehrheitlich auf Skepsis, besonders aufgrund ihrer dünnen und sexualisierten Körperform. Doch die Kinder waren begeistert – und das war alles, was Barbie für ihren Erfolg brauchte.

Das Barbie-Ökosystem: Wie Mattel den Grundstein für seinen Erfolg legte

Trotz der anhaltenden Kritik besorgter Eltern stellte Barbie sich als grossen Erfolg heraus. So gross, dass bereits 1962 Barbies Freund Ken ins Sortiment aufgenommen wurde. Wenig später folgten Barbies beste Freundinnen Midge und Christie, sowie ihre kleine Schwester Skipper. Und hier treffen wir auch schon auf den ersten Marketingtrick des Unternehmens: Mattel kreierte bereits früh ein eigenes Ökosystem für Barbie.

Barbie hat ihre eigenen Freunde, ihr eigenes Haus, und sie kann in dieser Welt sein, wer immer wie möchte: Wissenschaftlerin, Ballerina, Tierärztin, Präsidentin – oder eine der rund 250 anderen Karrierewege, die Barbie im Laufe der Jahre eingeschlagen hat. Dank diesem Trick konnte das Unternehmen ohne grossen Aufwand immer wieder neue Elemente zu der Welt von Barbie hinzufügen. Ob neue Barbie-Traumhäuser, eine Tierklinik für die Tierarzt-Barbie oder ganz einfach eine Barbie, die einen neuen Beruf ausübt oder eine neue Idee verkörpert. Die Welt von Barbie ist ewig erweiterbar und kann sich ständig neu erfinden.

Mattel hat über die Jahre zudem den ein oder anderen Marketing-Trick angewendet, um die Barbie-Charaktere innerhalb des Barbie-Ökosystems zum Leben zu erwecken. Beispielsweise haben Barbie und Ken am Valentinstag 2004 offiziell Schluss gemacht. Ein Marketing-Stunt, der wohl das ein oder andere Schmunzeln auslöste und das Interesse an Barbie neu entfachte. Übrigens konnten Barbie und Ken ihre Liebe am Set von Toy Story 3 wieder neu aufleben lassen und sind seit 2011 wieder offiziell ein Paar. Phu!

Wie sehr das Konzept der Barbiewelt im Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten von Barbie verankert ist, zeigt übrigens auch Gerwigs Barbie-Film: Die Story des Films ist schliesslich jene, dass Barbie aus der Barbiewelt ausbricht und in die reale Welt reist, was natürlich grosses Chaos zur Folge hat. Barbie gehört eben in ihre eigene Welt.

Idealisiert und kritisiert: Wie Mattel Lob und Kritik an Barbie navigiert

Trotz des Geniestreichs des Barbie-Ökosystems hatte es das Marketingteam von Mattel über die Jahrzehnte wohl alles andere als einfach. Barbie scheint nämlich seit ihrer Geburtsstunde immer wieder für Zündstoff in der Gesellschaft zu sorgen. Neben der Kritik an ihrem unrealistischen Erscheinungsbild und dessen Einfluss auf das Körperbild junger Mädchen stand die Puppe auch immer wieder unter Beschuss, sich zu sehr an femininen Idealen zu orientieren und dadurch patriarchale Ideen zu stärken.

Was aber die einen kritisieren, feiern die anderen. Barbies gelebte Femininität macht sie aus der Sicht von so manchen eben gerade zum Vorbild. Präsidentin sein und trotzdem pink tragen können? Ja bitte! Tatsächlich wurde Barbie auch aufgrund ihrer vielen Berufswege immer wieder als feministisches Vorbild wahrgenommen – und dies nicht etwa erst seit Kurzem. Gerade in den 60er und 70er Jahren, als Frauen oft noch nicht so viele Karriereoptionen hatten wie Männer, lebte Barbie vielen jungen Mädchen die berufliche Vielfalt vor. Beispielsweise gab es eine Astronauten-Barbie, bevor NASA überhaupt Frauen in diesem Job zuliess.

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Quelle: bbc.com

Besonders spannend ist, dass Mattel sich dieser doppelten Kritik nicht nur bewusst ist, sondern im Marketing sogar aktiv auf sie eingeht. Der Trailer zu Gerwigs Barbie-Film demonstriert dies in etwa mit dem Satz: «Wenn du Barbie liebst, ist dieser Film für dich. / Wenn du Barbie hasst, ist dieser Film für dich.» Und tatsächlich beleuchtet der Film sowohl Barbies Rolle als feministische Vorreiterin in Sachen Karriere als auch die vielen Probleme, die Barbie mit ihrem unrealistischen Aussehen in den Köpfen von Kindern verursachen kann.

Mattel beweist also gerade mit dem neuen Barbie-Film eine grosse Portion Mut. Anstatt die Kritik, die sich über die letzten Jahre gehäuft hat, zu ignorieren oder die Dinge schönzureden, geht das Unternehmen aktiv auf sie ein und erlaubt Konsumentinnen und Konsumenten, eine eigene Meinung zu Barbie und ihrer Welt zu haben. Der Grund: Viele Meinungen führen zu vielen Diskussionen – und Barbie war noch Wochen nach dem Film-Release Gesprächsthema Nummer eins.

Zu dünn, zu blond: Barbies Anpassung an den Zeitgeist

Das heisst aber nicht, dass Mattel im Laufe der Zeit nicht auch einige Kurskorrekturen vornehmen musste. Besonders in den 2010er Jahren erlebte Mattel ein Tief in seinen Verkaufszahlen. Die Spielzeugpuppe musste viel Kritik dafür einstecken, Kindern ein unrealistisches Körperbild zu vermitteln, in ihrem Aussehen schädliche Stereotypen rund um das Frausein zu verstärken und mit in ihrem blond-blauäugigen Erscheinungsbild zu wenig divers zu sein.

Erst mit Project Dawn, dem Launch von Barbie mit vier verschiedenen Körperformen im Jahr 2016, konnten sich die Verkaufszahlen etwas erholen. Barbie gab es nun auch «curvy», «tall» und «petite». 2017 folgten schliesslich weitere Barbies, welche die kulturelle Diversität fördern sollten, wie zum Beispiel eine Barbie mit Hijab. Auch wenn der Launch dieser mehr zeitgemässen Barbies etwas spät kam, zeigte das Unternehmen Mattel doch, dass es auf Kritik reagieren kann.

Das Comeback von Barbie: Millionenschweres Marketing und ein neues Image

Damit sind wir nun wieder in der Gegenwart angelangt – und bei Barbies grossem Comeback. Im Juli 2023 kam der Film Barbie nach monatelanger Promotion endlich in die Kinos und brachte Mattel damit den wohl grössten Erfolg in der Geschichte des Unternehmens ein. Satte 337 Millionen Dollar nahm der Film allein am Eröffnungswochenende ein. Seither hat Mattel mit Ticketverkäufen, Produktpartnerschaften und durch den Verkauf von Barbiepuppen, die vom Film inspiriert waren, über 1.92 Milliarden Dollar eingenommen.

Zu verdanken ist dies zu einem grossen Teil dem fleissigen Marketingteam von Mattel. Rund 150 Millionen Dollar sollen in das Marketing des Barbie-Films geflossen sein. Wie ein viraler Twitter-Thread von Marketingstratege Moshe Isaacian aufzeigte, hat das Marketingteam von Barbie allein vor dem offiziellen Filmstart 165 Brand-Kollaborationen realisiert. Nur einige Beispiele: Ein Barbie-Filter für Selfies, ein Uno-Spiel im Barbie-Look, Barbie-Crocs, ein pinker Burger von Burger King und sogar ein Malibu-Barbie-Traumhaus, das man auf Airbnb buchen konnte.

Wie die Zahlen zeigen, hat sicher dieser riesige Aufwand allemal gelohnt. Mattel hat mit dem Film nicht nur den Zeitgeist getroffen und damit erneut Relevanz bewiesen, sondern auch das Image von Barbie schlagartig verbessert. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – der Film Barbies Problematiken offen diskutiert, wird Barbie neu als Heldenfigur wahrgenommen, und hat damit das schlechte Image der unrealistisch dürren, blonden Plastikpuppe grösstenteils abgelegt. Und selbst für jene, die Barbie im Film nicht so positiv wahrgenommen haben, gibt es genug Communities, die über die Probleme von Barbie und Mattel diskutieren, und dadurch eben auch dazu beitragen, das Thema aktuell zu halten.

Ob man sie liebt, hasst oder ob sie einem eigentlich total egal ist: An Barbie ist man diesen Sommer nicht vorbeigekommen – und das ist gutes Marketing.

Fast 65 Jahre: Wie Barbie über die Jahrzehnte relevant bleib

Der Barbie-Film stellt zweifelsohne einen Wendepunkt für das Unternehmen Mattel dar. Die Beliebtheit von Barbie ist so hoch wie wohl seit Jahrzehnten nicht mehr, wie die Quartalszahlen des Unternehmens zeigen. Trotzdem baut das Unternehmen hier auf einen Erfolg, der über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Obwohl Barbie einiges an Kritik einstecken musste, ist die Puppe nie aus den Regalen der Spielzeugläden verschwunden. Das Konzept einer Puppe, die man ankleiden und frisieren kann, überzeugt heute genauso wie vor rund 60 Jahren.

Die Idee, der Puppe ihr eigenes Ökosystem zu geben, hat es der Firma zusätzlich ermöglicht, die Welt von Barbie ohne grossen Aufwand zu erweitern. Barbie hat sich dadurch immer wieder an den Geist der Zeit angepasst. Ob sie als Astronautin das Weltall erkundete, lange bevor irgendeine Frau dasselbe tun würde, oder mit der Einführung von Project Dawn neue Kulturen und Körpergrössen angenommen hat, Barbie hat es geschafft, über sechs Jahrzehnte relevant zu bleiben.

Heute ist Barbie sogar so aktuell wie seit Jahrzehnten nicht mehr – und das pünktlich zu ihrem 65. Geburtstag! Mal schauen, was Barbie dieses Jahr noch alles für uns bereithält.

Michelle Fischer

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