«Lieber Kunde, Sie haben Ihr High-Speed-Internet für diesen Monat aufgebraucht…» So klang es vor einigen Jahren noch, als mir mein Mobile-Abonnement-Anbieter mitgeteilt hat, dass ich erneut zu viel am Surfen war auf meinem Smartphone. Gleich doppelt ärgerlich – so muss ich mehr bezahlen und werde bei der Mitteilung dazu nicht einmal korrekt angesprochen.
Erfreulicherweise startet diese Nachricht mittlerweile mit «Liebe Kundin, lieber Kunde» – so kann ich mich als Kundin tatsächlich auch angesprochen fühlen. Dieses Problem ist, zumindest bei meinem Mobilfunkanbieter also mittlerweile gelöst. Als nächstes brauche ich einfach unlimitiertes Internet.
Ja, die Sache mit dem gendergerechten Schreiben beschäftigt unsere Gesellschaft und deren Kommunikation schon länger. Und während die einen von einer Verhunzung der Deutschen Sprache und fehlendem Lesefluss sprechen, so wünschen sich die anderen Gleichstellung und Inklusion – auch in der geschriebenen Sprache.
Sprache beeinflusst unser Denken
Die Frage, die von Kritiker*innen und Unentschlossenen oft in den Raum geworfen wird, lautet: «Wieso sollte ich gendern?» Nun, Sprache schafft Realität. Es ist unlängst bekannt, dass die Sprache unser Denken formt. So gibt es auch ein mehrfach wiederholtes Experiment, das dies unterstreicht. Es wurden zwei Gruppen aus Versuchspersonen gebildet: Die erste Gruppe wurde gebeten, Politiker, Sportler und Künstler aufzuzählen, während die zweite Gruppe gebeten wurde, Politikerinnen und Politiker, Sportlerinnen und Sportler sowie Künstlerinnen und Künstler aufzuzählen.
In der zweiten Gruppe wurden bis zu einem Drittel mehr Frauen genannt. Das Argument, dass Frauen beim generischen Maskulinum stillschweigend mitgemeint seien, funktioniert in der Praxis wohl doch nicht so gut.
Inklusion und Diversität
Bist du im Marketing oder in der Kommunikation eines Unternehmens aktiv, so wurdest du wahrscheinlich auch schon mit der Diskussion konfrontiert, ob ihr gendern solltet in euren Werbemassnahmen. Hier geht es dann zum einen um die Überzeugungen eures Unternehmens und zum anderen auch um eure Zielgruppe.
Die Gen Z, aber auch Millennials, fordern dass Unternehmen Verantwortung übernehmen, in sozialen, sozialpolitischen und umwelttechnischen Belangen. Ein Aspekt davon ist auch die Inklusion von Frauen, Männern, trans* Personen oder non-binary Personen in Texten, Artikeln, Stellenbeschrieben und Newslettern.
Gender vs. Geschlecht
Vielleicht musste der/die eine oder andere von euch den letzten Satz oben zweimal lesen – denn gendergerechte Sprache bezieht sich tatsächlich nicht mehr «nur» auf Mann und Frau. Um dies verständlich erklären zu können, müssen wir kurz etwas ausholen.
Es wird unterschieden zwischen biologischem Geschlecht (im englischen «Sex») und sozialem Geschlecht (im englischen «Gender») unterschieden. Korrekt müsste es im deutschen also auch geschlechtergerechte Sprache heissen – doch wir fügen uns den anglizismen und nennen es gendergerecht. Auch die Unterhaltung darüber, ob Geschlecht binär ist, entfacht oft hitzige Diskussionen. Fakt ist, dass je länger je mehr Länder auch in Reisepässen das dritte Geschlecht aufnehmen und wir sehen in unserem Berufsalltag beispielsweise bei Stellenausschreibungen mehr und mehr die Bezeichnung «m/w/d», wobei das d für divers steht.
Auch die Umsetzungen gestalten sich divers
Es ist nicht universell festgelegt, wie «richtig» gegendert wird in Texten. Schliesslich wird auch noch lange nicht auf allen Plattformen oder in allen Printmedien mit gendergerechter (oder genderneutraler) Sprache gearbeitet. Wir wollen dir nun ein paar Möglichkeiten aufzeigen, wie du in deinen Texten gendern kannst und worin die Vor- oder Nachteile der jeweiligen Variante liegen.
Weibliche und männliche Form verwenden
Dies ist quasi der Klassiker: Unternehmen schreiben «Liebe Kundinnen und Kunden», die Uni «Studentinnen und Studenten» und Vorgesetzte «Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter». Vor allem bei Anschriften und bei kürzeren Texten lässt sich diese Methode gut umsetzen. Die angesprochenen Personen können sich grösstenteils auch angesprochen fühlen. Aber diese Variante exkludiert non-binäre Personen beispielsweise.
Binnen-I und Splitting
Auch bekannt sind die Varianten «MitarbeiterIn» oder «Mitarbeiter/in». Ersteres ist mittlerweile aber nicht mehr so häufig im Gebrauch, da das grossgeschriebene i schnell mit einem kleingeschriebenen L verwechselt wird. Beim Abtrennen (Splitting) mit dem Slash stehen wir wieder vor denselben Tatsachen wie beim vorherigen Abschnitt: Es werden nur Männer und Frauen Berücksichtigt.
Genderstern und Gendergap
Aus diesem Grund erweitert sich das gendergerechte Schreiben um ein Zeichen oder einen Abstand. Anstatt «Lehrer und Lehrerinnen» wird also Lehrer*innen, Lehrer:innen oder Lehrer_innen geschrieben. Der Stern (*) oder der Abstand mit dem Unterstrich (_) steht hier dann für alle weiteren Gender, die sich nicht (konsequent) dem männlichen oder weiblichen zuordnen lassen.
Der Genderstern hat sich in vielen Bereichen am meisten etabliert und wird rege genutzt. Unvorteilhaft sind der Stern, Doppelpunkt oder Unterstrich wenn sich Menschen mit Sehbehinderung deinen Text zu Gemüte führen wollen. Nutzen diese Personen nämlich eine text-to-speech-Funktion und lassen ihn sich vorlesen, so wird oftmals der Stern oder der Doppelpunkt laut ausgesprochen. Das kann zu Verwirrung oder Unverständnis führen.
Genderneutrale Formulierungen
Anstatt Begriffe anzupassen, kannst du aber auch einfach andere Wörter verwenden, die genderneutral sind. Das sieht dann so aus:
- Mitarbeiter -> Mitarbeitende, Belegschaft
- Zuschauer -> Publikum
- Mannschaft -> Team
- Jeder weiss -> Alle wissen
- Man kann -> Du kannst, Sie können
- Experte -> Fachperson
- etc.
Die Sache mit der Leserlichkeit
Eine der grössten Kritiken am gendergerechten Schreiben ist, dass es nicht Leserfreundlich sei. Die Texte werden weniger gut verstanden und seien mühsamer zu lesen. Doch tatsächlich haben Untersuchungen ergeben, dass dem nicht ganz so ist. Zwar haben Männer eher das Gefühl, dass gendergerecht formulierte Texte unverständlich sind, Frauen hingegen empfinden sie als verständlich.
Jedoch können sich Männer wie auch Frauen sich den Inhalt des Textes genauso gut wenn nicht besser merken können, wenn gegendert wird. Einzig im Punkt Ästhetik hinkt die gendergerechte Formulierung hinterher. Vor allem Formulierungen im Stil von «Liebe/r Mitarbeiter/in» wird als unästhetisch empfunden von den Leser*innen. Mit etwas Übung und verschiedenen Methoden können Schreiber*innen aber die Stilistik und Ästhetik ihrer Texte beibehalten – Übung macht den Meister bzw. die Meisterin.
Gendergerechtes SEO
Dir als Marketer schwebt natürlich auch immer die Suchmaschinenoptimierung im Hinterkopf herum. Wie schreibe ich Beiträge, die gut ranken? Welche Keywords werden gesucht? Und gerade beim Thema Keywords hapert es mit der Genderneutralität bzw. den gendergerechten Ausdrücken. Bei einer Google-Suche macht sich scheinbar kaum jemand die Mühe, nach «Kundin» oder gar «Kund*in» zu suchen.
SEO-technisch musst du bzw. dein Unternehmen entscheiden, was ihr priorisiert. Vor allem bei Title-Tags und Meta-Descriptions ist es auch immer eine Sache der Zeichenanzahl – Kundinnen und Kunden benötigt nun mal mehr Platz als nur Kunden. Auch bei ALT-Tags ist es in der Praxis oft üblich, dass mit dem generischen Maskulinum gearbeitet wird. Sei dir einfach immer bewusst, wer die Beschreibungen sehen kann und wer deine Zielgruppe ist. So kannst du die Gratwanderung zwischen SEO und gendergerechter Kommunikation bewältigen.
Einige Tipps zum Schluss
Vielleicht bist du schon aktiv dabei, deine schriftliche Kommunikation genderkonform zu formulieren oder vielleicht ist das für dich auch noch Neuland. Doch die Zeiten – und die Sprache – ändern sich. Mit dem immer stärker werdenden Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung in allen Gesellschaftsebenen müssen sich Unternehmen ebenfalls mitentwickeln, um nicht unterzugehen.
Fällt dir das Gendern manchmal schwer, so kannst du dir auch Hilfe von Genderwörterbüchern online holen. Auch wenn du Beiträge, Posts oder Artikel von Personen liest, die gendern, kannst du dir die Schreibweise je länger je mehr aneignen. Wir sind Gewohnheitstiere und tun uns manchmal schwer mit Veränderung, aber um ein Zeichen für Diversity, Inklusion und Gleichstellung zu setzen, sollte es möglich sein, dass wir unsere Texte mit einem Sternchen hier oder einem genderneutralen Ausdruck da ergänzen.