Wer erfolgreich verkaufen will, braucht Informationen. Die Wertvollsten kann man nicht recherchieren, man muss sie sich bei den Kund:innen erfragen. Das ist eine alte Weisheit, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Deshalb ist auch das SPIN-Selling aus dem Jahr 1988 noch immer eine gute Verkaufsstrategie.
Bestimmt hast du das Stichwort SPIN-Selling schon einmal gehört. Immerhin handelt es sich dabei um eine der ältesten und bekanntesten Vertriebsmethoden. Es geht dabei im weitesten Sinne um Fragen und Zuhören. Mithilfe des dadurch gewonnenen Wissens überträgt man die Kund:innenwünsche auf das Produkt. Die Methode setzt dabei vor allem auf die dezidierte Formulierung gezielter Fragen.
Optimale Fragestellung und intensives Zuhören sind probate Mittel zur Informationsbeschaffung. Was Kund:innen selbst preisgeben, kann keine Recherche ersetzen. Darüber hinaus dient diese Art der Kommunikation einer guten Beziehung zwischen den Gesprächspartner:innen. Die richtigen Fragen zu stellen kann also nicht nur zum einzelnen Kaufabschluss führen, sondern auch der langfristigen Kund:innenbindung dienen.
Wie entstand SPIN-Selling?
Die Methode hat der englische Verkaufsberater Neil Rackham im Jahr 1988 auf der Grundlage zwölfjähriger Forschung veröffentlicht. Seinem Buch ‚SPIN-Selling‘ gingen 35’000 Verkaufsgespräche voraus. Damit handelt es sich bis heute um die am besten validierte Verkaufsstrategie, die dem Vertrieb zur Verfügung steht.
Rackham stellt die Kund:innen in den Mittelpunkt und orientiert sich an deren Wünschen und Bedürfnissen. Um diese herauszufinden, verwendet seine Methode gezielte Fragen. Ausserdem ist das aktive Zuhören ein zentraler Aspekt des SPIN-Selling. Verkäufer:innen sollen ihre Gesprächspartner:innen nicht bedrängen, sondern als vertrauenswürdige Berater:innen auftreten.
Als Neil Rackham sein Buch geschrieben hat, standen noch keine digitalen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung zur Verfügung. Mit den Mitteln der Online-Recherche kannst du heute schon vorab viele Daten sammeln, die du beim Kund:innen dann nicht mehr erfragen musst. Du kannst SPIN-Selling also noch gezielter einsetzen, als es 1988 konzipiert wurde.
Welche Fragen stellt SPIN-Selling?
Im SPIN-Selling dreht sich alles um Fragen. Es wird aber nie ohne Ziel drauflos gefragt, jede einzelne Frage soll einen bestimmten Zweck erfüllen und einen klaren Mehrwert einbringen. Auch die Reihenfolge der gestellten Fragen folgt einer festgelegten Strategie.
Das Akronym SPIN steht für:
Englische Entsprechung | Deutsche Bedeutung | |
S | Situation | Situationsfragen |
P | Problem | Problemfragen |
I | Implication | Implikationsfragen |
N | Need-Payoff | Nutzerfragen |
Situationsfragen
Hier geht es darum, die Ist-Situation der Gesprächspartner herauszufinden. Man fragt dazu nach aktuellen Projekten und Herausforderungen. Die Situationsfragen solltest du im kleinen Rahmen halten, denn heutzutage findest du viele Antworten bereits im Internet. Strapaziere Kund:innen also nicht mit Fragen, die du selbst recherchieren kannst.
Beispiele:
- Welche Strategie hast du für ABC?
- Wer ist im Unternehmen dafür verantwortlich?
- Wie laufen die Prozesse ab?
- Wie lange handhabst du ABC schon auf diese Weise?
- Welche Rolle spielt ABC für dein Unternehmen?
- Welches Ziel verfolgst du mit ABC?
- Welche Tools nutzt du dafür?
Problemfragen
Bei den Problemfragen geht es sozusagen ans Eingemachte. Damit will man herausfinden, wo im Unternehmen Optimierungsbedarf besteht. Gibt es einen Problembereich, der vielleicht noch gar nicht ins Bewusstsein der Verantwortlichen vorgedrungen ist? Fokussiere die Problemfragen möglichst gezielt auf die Bereiche, in denen du mit deinem Produkt einen Mehrwert schaffen könntest.
Beispiele:
- Wie lange dauert der Vorgang ABC?
- Geht der Vorgang manchmal schief?
- Ist das Troubleshooting dann einfach?
- Bist du mit den Ergebnissen zufrieden?
- Wie zuverlässig ist dein Equipment für ABC?
- Sind die Tools einfach zu reparieren oder zu ersetzen?
Implikationsfragen
Wenn du die Probleme deiner Kund:innen identifiziert hast, gilt es herauszufinden, wie gross die Herausforderung für das Unternehmen ist. Zu wissen, wie dringlich ein Problem empfunden wird, ist für den Verkaufserfolg von grosser Bedeutung. Umso wichtiger sind die Implikationsfragen. Neil Rackhams Forschungen haben ergeben, dass die besten Verkäufer:innen vier Mal so viele dieser Fragen stellen als ihre durchschnittlich erfolgreichen Kolleg:innen. Das Ziel besteht darin, Gesprächspartner:innen eine neue Sichtweise auf das Problem zu vermitteln.
Beispiele:
- Wie hoch sind die Produktivitätskosten von ABC?
- Was könntest du mit mehr Zeit erreichen?
- Wären deine Kund:innen ohne das Problem XY zufriedener?
- Würdest du deine Ziele dann leichter erreichen?
- Wann ist das Problem XY zuletzt aufgetreten?
- Wie wirkt es sich auf deine Mitarbeitenden aus?
- Blockiert das Problem XY deine persönliche Karriere?
- Wirkt es sich negativ auf deine KPIs aus?
Nutzenfragen
Die Nutzenfragen zielen darauf ab, dass Kund:innen den Mehrwert ihres Produkts mit eigenen Worten darstellen sollen. So erkennen sie den Nutzen deines Angebots für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse oder die Lösung ihrer Probleme von selbst. In den Antworten auf die Nutzenfragen sollen also Mehrwert, Relevanz und Nützlichkeit deines Produkts zum Vorschein kommen. Deshalb ist es wichtig, dass du mit diesen Fragen ausschliesslich Probleme ansprichst, die du mit deiner Lösung auch tatsächlich abdecken kannst.
Beispiele:
- Würde es dir helfen, wenn … ?
- Wäre ein positives Ergebnis dann einfacher zu erzielen?
- Wie würde sich das insgesamt auf dein Unternehmen auswirken?
Die Nutzenfragen leiten sich direkt von den Implikationsfragen ab, da diese das Problem bereits im Fokus hatten. Hast du beispielsweise die Implikationsfrage ‚Verhindert Problem XY manchmal die Einhaltung von Deadlines?‘ gestellt, kannst du die Nutzenfrage ‚Wenn Sie den Vorgang ABC in der Hälfte der Zeit abschliessen könnten, wäre die Einhaltung von Deadlines dann einfacher?‘ daraus ableiten.
ACHTUNG: Nutzenfragen solltest du mit Bedacht formulieren, da sie sich mitunter herablassend anhören können. Es geht darum, Kund:innen eine neue Perspektive nahezubringen, ohne belehrend zu wirken.
Die Phasen des SPIN-Selling
Nach Neil Rackham hat jeder Verkaufsprozess vier Phasen:
1. Eröffnung
In der Kontaktphase geht es zunächst um den Aufbau einer Beziehung. Anstatt Kund:innen mit einem Redeschwall und Lobeshymnen auf das eigene Angebot zu verschrecken, sollten Verkäufer:innen sich in dieser Phase auf das Kennenlernen und Einholen erster Informationen konzentrieren.
2. Fragen
Im SPIN-Selling dreht sich alles um Fragen, diese Phase ist also der Kernpunkt des Konzepts. Es geht um die Analyse der Bedürfnisse, Prioritäten und Kaufkriterien von potenziellen Kund:innen. Man will herausfinden, wie diese vom eigenen Angebot profitieren könnten. Dazu dienen relevante, zielgerichtete und strategische Fragen.
3. Stärke
Mit deinen Fragen hast du einen Zusammenhang zwischen deinem Angebot und den Kund:innenbedürfnissen hergestellt. Nun gilt es, diesen konkret darzustellen. Mit drei Aspekten zeigst du die Stärken deines Produkts auf: Features (Funktionen), Advantages (Vorteile) und Benefits (Nutzen). Mit den Features stellst du die Funktionalität deines Angebots dar, die Advantages beschreiben den Mehrwert beim tatsächlichen Einsatz und mit den Benefits demonstrierst du deinen Kund:innen, wie sie von deinem Produkt profitieren können.
4. Einwänd
Mit Einwänden müssen Verkäufer:innen immer rechnen und sie können damit umgehen. Neil Rackham unterscheidet zwei Arten: Einwände gegen den Mehrwert und Einwände gegen die Leistung. Im ersten Fall könnte der Einwand beispielsweise lauten: Die Funktionen gefallen mir gut, aber die Kosten sind zu hoch. Im zweiten Fall könnten Kund:innen Folgendes einwenden: Ich bin mir nicht sicher, dass Ihr Produkt tatsächlich für meine Zwecke geeignet ist. Mit geschickten Implikations- und Nutzenfragen können Verkäufer:innen solche Einwände laut Rackham um die Hälfte reduzieren. Aus diesem Grund ist auch die Reihenfolge der Fragen von besonderer Bedeutung. Mit einer geschickten Fragestellung können Verkäufer:innen Einwänden gezielt zuvorkommen.
Fazit: Fragen und Zuhören zählt auch heute noch
Obwohl die SPIN-Selling-Methode schon über drei Jahrzehnte alt ist, hat sie nicht an Gültigkeit verloren. Das Recherchieren von Informationen ist im digitalen Zeitalter leichter geworden, Neil Rackham musste bei der Entwicklung seines SPIN-Selling noch ohne Internet auskommen. Dadurch hat sich die Bedeutung der Fragestellungen etwas verschoben, die Situationsfragen können sich Verkäufer:innen teilweise schon vor dem Gespräch selbst beantworten. Aber das Fragen an sich gehört immer noch zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren im Verkauf. Wer gezielt fragt und den Antworten gut zuhört, kann seine Gespräche lenken und direkt in Richtung Abschluss führen.
Eine klare Strategie zur Verfügung zu haben, ist für die Gesprächsführung immer von Vorteil. So können Verkäufer:innen gut vorbereitet in jede Verhandlung gehen und den Abschluss mit geschickter Taktik anpeilen. SPIN-Selling ist sicher eine der Methoden, die dazu beitragen kann. Bis heute.