Corona und Rassismus sind die vorherrschenden Themen in diesem Jahr. Werber sollten gerade im Umgang mit diesen Themen besondere Sensibilität an den Tag legen – was einigen von ihnen gründlich misslang. Von der rassistischen VW-Ad über Kreuzfahrt-Werbung in Corona Zeiten bis hin zu Wendler-Gate – diese Shitstorms waren eigentlich voraussehbar. Wie man es richtig macht, zeigte die Supermarkt-Kette Kaufland.
Rassistischer VW Clip auf Instagram
Der Wolfsburger Konzern ist bekannt für seine kreativen Kampagnen, wir erinnern uns beispielsweise an die Star Wars Ads von 2011 und 2012. Im Mai dieses Jahres ist VW dann weit über das Ziel hinausgeschossen und hat einen Clip auf Instagram gepostet, der gleich mehrere rassistische Elemente enthielt. Zu sehen ist ein Schwarzer, der von einer weissen Hand herumgeschubst und schliesslich in einen Laden namens „Petit Colon“ geschnippt wird. Der Name des Geschäftes heisst übersetzt „Kleiner Kolonist“ und lässt sich als Anspielung auf die europäische Kolonialgeschichte verstehen. Am Ende des Clips erscheint der Schriftzug „Der neue Golf“. Die Buchstaben werden nacheinander eingeblendet und die ersten erkennbaren Buchstaben ergeben das N-Wort.
Damit nicht genug: VW reagierte mit Unverständnis und wollte den Fehler nicht bei sich sehen. Das Publikum hätte die Werbung schlichtweg nicht verstanden. Später ruderte der Autobauer dann doch noch zurück und bezeichnete das Video als falsch und geschmacklos und versprach Aufklärung.
Kampagne Luzerner Polizei erinnert an George Floyd Festnahme
Am 25. Mai 2020 wurde in der Minneapolis, Minnesota der 46-Jährige Afroamerikaner George Floyd bei einer brutalen Festnahme durch US-Polizeibeamte getötet. Nur wenige Tage später postete die Polizei Luzern ein Video und eine Kampagne mit Szenen, die sehr stark an die Verhaftung von Floyd erinnern.
Die Luzerner Polizei liess in einer Medienmitteilung eine Entschuldigung verlauten: „Im Zusammenhang mit dem tragischen Todesfall eines schwarzen US-Amerikaners bei einer Polizeikontrolle hat unsere Kampagne offenbar bei vielen Personen Gefühle verletzt.“ Man distanziere sich von jeglicher Form von Gewalt und Rassismus. Zudem sei die Kampagne im Dezember letztes Jahr und dieses Jahr im Mai aufgenommen worden – also vor dem gewaltsamen Tod von George Floyd. Schön und gut, aber so kurz nach den Ereignissen in Minnesota war die Kampagne – gelinde gesagt – sehr unglücklich getimt. Da hätte man nacharbeiten müssen.
Norwegian Cruise Line (NCL) stiftet Mitarbeiter zum Lügen an
Die Kreuzfahrt-Industrie steht ständig in der Kritik, weil die riesigen Kähne der Umwelt massiv schaden. Speziell in Corona-Zeiten sind viele Reedereien erneut negativ aufgefallen. Stell Dir vor, Du sitzt in einer beengten Kabine, während sich Corona ungehindert auf dem Schiff ausbreitet. Ein übliches Szenario im Frühjahr 2020, denn bis Ende April 2020 hatten mehr als 30 Kreuzfahrtschiffe COVID-19-Fälle an Bord bestätigt. Trotzdem wollten die Unternehmen nicht andocken und speziell die NCL schaltete eine Ad, die Gäste dazu ermutigen sollte, sich mit einem wohlverdienten Urlaub zu «befreien». Zur gleichen Zeit wurden Mails der Reederei geleakt, in der das Unternehmen seine Verkaufsagenten aufforderte, potenzielle Kunden zu belügen. Man solle sagen, das Coronavirus könne im tropischen Klima nicht überleben.
Business as usual in Krisenzeiten zu betreiben und die Kunden auf schädliche Art und Weise zu täuschen, ist absolut leichtsinnig und das perfekte Rezept für eine PR-Katastrophe. Im Fall von NCL ging der Skandal weltweit durch die Presse und löste einen massiven Shitstorm aus.
SVP Video zur Begrenzungsinitiative
Alle Jahre wieder: Eine SVP Kampagne löst einen Shitstorm aus. In diesem Jahr war es das Video mit einem Mädchen, das erst ein Loblied auf die wunderschöne Schweiz zum besten gibt, danach aber findet, die Schweiz habe doch gar keinen Platz für alle diese Menschen und in den Klassen habe es kaum noch Schüler mit Schweizer Namen. Ein Mädchen für politische Zwecke – notabene rechtes Gedankengut – zu missbrauchen, da ist der Shitstorm vorprogrammiert. SRF Talkshow-Host Dominic Deville reagierte prompt mit einer eigenen Version des SVP-Clips.
Edekas Weihnachtswerbung
Die neue Edeka-Weihnachtskampagne steht unter dem Motto „Lasst uns froh und bunter sein“. Was sicher mit guten Intentionen begann, haperte an der Umsetzung. Im Video sieht man eine weisse Familie, die für das anstehende Weihnachtsessen einkauft. In den letzten Jahren gab es japanisch und marokkanisch, weil die Freunde der Tochter zuletzt japanischer und im Jahr davor marokkanischer Herkunft waren. Angesichts des italienischstämmigen Verkäufers und der Begeisterung der Tochter soll es in diesem Jahr Italienisch geben.
Die Kritiker reiben sich besonders an einem Punkt: Der exotische Ausländer, der mit Essen assoziiert und als Sexobjekt wahrgenommen wird. Das führte sogar dazu, dass auf Change.org eine Petition gegen die Werbung gestartet wurde.
Die deutsche Regierung und das Pflegepersonal
Der Pflegeberuf ist bekannt für miserable Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen. Die Stationen sind chronisch unterbesetzt, das Personal steht unter Dauerdruck und die Pflegebedürftigen werden dementsprechend immer schlechter betreut. Das gilt für die Schweiz, mehr aber noch für unseren nördlichen Nachbarn. Das deutsche Bundesfamilienministerium fand, da müsse man doch was tun. Mit… einer Miniserie? Bei diesem Denkprozess hätte ich zu gerne Mäuschen gespielt. Man verpflichte Netflix Schauspieler*innen, gebe 700‘000 Euro für die Produktion aus und alles ist gut. Von wegen. In der Webserie „Ehrenpflegas“ wimmelt es nur so von Klischees, die Pflegekräfte sind nicht besonders Smart, haben dafür viel Herz und der Tag besteht nur aus Pillen sortieren, Essen austeilen oder beim Toilettengang helfen. Das ist genauso falsch wie beleidigend.
„Die Auszubildenden an unserem Campus vertreten hohe ethische Werte, sie wollen lernen und müssen das auch, weil es unglaublich viel Stoff zu bewältigen gibt. Das alles transportiert diese Miniserie absolut nicht. In dem Film wird der Eindruck vermittelt, jeder könne in den Pflegeberuf reinstolpern, egal, welche Voraussetzungen er hat“, sagt beispielsweise Christine Vogler, Vorsitzende des Deutschen Pflegerates. Auch Twitter reagierte prompt:
Auch diese missglückte Aktion endete mit einer Petition gegen die Miniserie, die das dringend benötigte medizinische Fachwissen und die anspruchsvollen Tätigkeiten des Pflegeberufs ausser Acht lasse. Ausserdem werden Sexismus und Mobbing als unterhaltsamer Normalzustand dargestellt, so die Autoren der Petition.
Gut gerettet: Kaufland und der Wendler
Zum Schluss ein Beispiel, wie man einer fast sicheren PR-Katastrophe vorbeugt. Mit dem Wendler und seinem Song „Egal“ startete der Einzelhandels-Riese Kaufland eine Kampagne, die sofort viral ging. Noch am selben Tag wurde der Schlagersänger zum Schwurbler und fing an, wirre Verschwörungstheorien auf Social Media zu verbreiten. Das Unternehmen reagierte schnell und konsequent. Die Kampagne wurde gelöscht, auf Twitter distanzierte man sich vom Schlagersänger:
So geht gutes Social Listening, was von der Netz-Gemeinde ausgiebig beklatscht wurde. Twitter User @IamIllgner meinte beispielsweise, das PR-Team „müsste als reine Wiedergutmachung für diesen Wahnsinn lebenslangen Kündigungsschutz bekommen“.