Wie oft hast du schon aus Versehen auf einen Download-Button geklickt, der sich als Werbebanner statt deiner gewünschten Software entpuppte? Oder es nach langwieriger Suche in Menüs aufgegeben, einen Newsletter zu deabonnieren? Dark Patterns verleiten Nutzer*innen mit frechen Taktiken zu gewünschtem Verhalten oder halten sie davon ab. Das sind die Tricks von Dark UX.
Inhaltsverzeichnis
Eine gute User Experience zeichnet sich durch eine positive Erfahrung der Nutzer*innen in der Anwendung einer Dienstleistung oder eines Produkts aus. Gutes UX geht darum mit Customer Centricity einher. UX-Gesetze können aber auch missbraucht werden, um Konsument*innen den eigenen Willen aufzuzwingen.
Dahinter stecken fiese Taktiken von Marketing-Schlitzohren, die manchmal auch Dark Patterns genannt werden. So verrufen Dark UX auch ist, so oft wird es von Marketer*innen benutzt, weil es für Unternehmen Vorteile auf Kosten der Nutzungserfahrung bringt. Wir zeigen dir, von welchen dieser Tricks du die Finger lassen solltest und wie du selbst nicht darauf hineinfällst.
Trickfragen
Checkboxen werden nur flüchtig überflogen, bevor Nutzer*innen sie an- oder abwählen. Aber was stimmt man hier eigentlich zu? Das wird manchmal selbst nach mehrmaligem Durchlesen nicht klar, so verwirrend sind diese Texte geschrieben. Seien es ewig lange Sätze, doppelte Verneinungen oder unklare Wortwahl – ob du wirklich richtig geklickt hast, ist eine 50-50-Chance, wenn du keinen Master in Germanistik hast.
Bait and Switch
Bait & Switch bedeutet so viel wie anlocken und auswechseln. Dabei werden Nutzer*innen, die eine bestimmte Absicht verfolgen, mit einem passenden Element in der Benutzeroberfläche zum Klick verlockt. Natürlich denken User*innen, dass die von ihnen gewünschte Aktion eintritt. Allerdings wurden sie zu einer anderen Aktion verleitet als die intendierte. Zum Beispiel hast du dir gerade in einem Online-Tool ein JPG komprimieren lassen. Beim Klick auf Download erscheint aber eine Eingabemaske, in der deine E-Mail-Adresse oder gar Zahlungsdaten abgefragt werden. Nichts gibt es gratis.
Getarnte Werbung
Ganz ähnlich wie beim Bait & Switch passiert bei der getarnten Werbung nicht das, was Nutzer*innen geplant haben. Hierbei werden nämlich Werbebanner als Webseitencontent getarnt, um Klicks zu ergattern. Der häufigste Übeltäter sind wohl die eingangs erwähnten Download-Buttons, dir gar keine sind. Manchmal sind es aber auch kleine Games oder Banner, die sich als Menüleiste der Webseite ausgeben, welche nach unseren Klicks gieren.
Roach Motel
Ein Roach Motel – oder ein Kakerlaken-Motel – funktioniert genau wie Fallen für lästige Ungeziefer. Den Weg rein findet man leicht, den Weg heraus dafür umso schwerer. Du weisst ja, wie einfach es ist, sich für einen Newsletter anzumelden, eine Dienstleistung zu abonnieren oder ein Nutzerprofil anzulegen. Aber hast du schon mal versucht, da wieder herauszukommen? Ungewollte Berühmtheit erlangte der Online-Versandriese Amazon mit seinem Kontosystem. Denn ein Amazon-Konto zu löschen war mal eine Wissenschaft für sich und benötigte neben zahlreichen Schritten eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Support via E-Mail, Telefon oder Chat. Das wurde mittlerweile zum Glück vereinfacht.
Künstliche Verknappung
Künstliche Verknappung hängt eng mit der «fear of missing out» – kurz FOMO – zusammen. Dass FOMO spannende Insights für Marketingstrategien bietet, haben wir bereits in einem früheren Artikel behandelt. Menschen wollen nichts verpassen und sind darum unter Zeitdruck oder während einzigartiger Gelegenheiten eher zu Käufen bereit. Künstliche Verknappung überschreitet allerdings eine moralische Grenze.
Besonders häufig trifft man das Phänomen in der Reisebranche beim Buchen von Flügen oder Hotels an. Dabei wird man oft auffällig darauf hingewiesen, dass nur noch zwei Zimmer verfügbar sind und sich gleichzeitig sechs andere Leute das Angebot anschauen, oder dass der Flugpreis nur noch für eine halbe Stunde gilt. Solche Maschen grenzen an Betrug und lassen Anbieter unseriös wirken. Langfristig lohnt sich Dark UX deswegen nie.
Gestaltgesetze umkehren
Zugegebenermassen ist das Umkehren von Gestaltgesetzen ziemlich genial. Die komplette Disziplin der User Experience (UX) stützt sich darauf, Konsument*innen ein möglichst gewohntes und gleichbleibendes Erlebnis zu bieten. Das kommt dem Menschen als Gewohnheitstier gelegen. Ein Hamburgermenü sieht darum in allen Benutzeroberflächen etwa gleich aus und hat die identische Funktion. Mit dieser Erwartungshaltung kann aber gespielt werden.
Stell dir beispielsweise vor, in einem Kontaktformular werden freiwillige Eingabefelder mit einem Sternchen gekennzeichnet. Natürlich würdest du trotzdem alle deine Angaben preisgeben, denn du bist es von überall sonst gewohnt, dass Sternchen nur Pfilchtfelder markieren. Aus der Best Practice wird eine Falle.
Confirmshaming
Das Nutzen von digitalen Dienstleistungen verlangt öfters mal, dass wir bestimmte Dinge bestätigen oder Checkboxen anwählen. Damit können zum Beispiel Zusatzangebote dazugebucht oder der Versand eines Produkts versichert werden. Der Anbieter verdient etwas dazu, aber aus Perspektive der Nutzer*innen lohnen sich diese Optionen selten. Also werden manche Marketer*innen schlicht gemein und versuchen uns geradezu in teurere Optionen zu mobben, indem sie sich über unsere (fehlende) Auswahl lustig machen.
Confirmshaming nennt sich das. Man gibt den Nutzer*innen die Schuld dafür, nichts zusätzlich gekauft zu haben. Das heisst, wenn wir uns nicht für den 30-Tage-Fitness-Kurs von Promi XY anmelden möchten, wird die entsprechende Auswahloption mit einem «Nein, ich möchte nicht gesünder leben» quittiert.
Sneak into Basket
Man kommt allerdings gar nicht erst in die Situation, Konsument*innen drangsalieren zu müssen, wenn man ihnen die Zusatzoptionen einfach unterjubelt. Das geschieht oft im Buchungsprozess eines Flugtickets. Man klickt sich nichtsahnend durch die Checkout-Seiten und kontrolliert ständig, dass auch ja alle Angaben richtig geschrieben wird, während das Tool unauffällig schwereres Gepäck oder eine Versicherung in den Warenkorb legt.
Sneak into Basket nennt sich die Taktik passenderweise. Man kann diese Optionen, wenn man wachsam bleibt, problemlos abwählen. Doch das Problem liegt darin, dass sie überhaupt standardmässig angewählt sind. Es wird ein Opt-out anstelle eines Opt-ins verlangt. Darum sollte man den Warenkorb immer zweimal kontrollieren.
Wer lesen kann, ist im Vorteil
Dark Patterns machen keinen Hehl daraus, dass sie Nutzer*innen mit unlauteren Methoden zu Interaktionen oder Käufen anleiten wollen, die gar nicht erwünscht sind. Das wirkt sowohl frech als auch unseriös und lässt Unternehmen darum unsympathisch und nicht vertrauenswürdig dastehen. Täusche dich nicht: Dar UX ist nutzer*innenfeindlich und wird früher oder später abgestraft. Sei es von Plattforminhabern oder von den Konsument*innen selbst. UX hat in erster Linie, den Nutzenden zu dienen und nicht den Verkaufenden.
Aus User*innen-Sicht kannst du Dark UX fast immer entgehen – was Dark Patterns aber keineswegs ok macht. Meist ist erkennbar, was die wahre Intention hinter der Benutzeroberfläche ist, und wo sich die Option versteckt, die du tatsächlich wünschst. Dafür musst du dir diese aber gründlich ansehen, was bei der zeitgenössischen Aufmerksamkeitsspanne eine Herausforderung darstellt. Darum: Wer (schnell) lesen kann, ist im Vorteil.