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Raphael Bühler erklärt: Der Einsatz von Nudges für erfolgreicheres Dialogmarketing

Mit Nudging lassen sich Entscheide durch gezielte Anreize steuern. Die Methode wurde ursprünglich in der Verhaltensökonomik entwickelt. Daneben hat sie einen grossen Nutzen im digitalen Marketing – insbesondere im Dialogmarketing. Ob für höhere Öffnungs- und Klickraten, mehr Newsletter-Abschlüsse oder wachsende Umsätze im Webshop: Die passenden Nudges (zu deutsch «Schubser») lenken gezielt und mit intuitiv erfassbaren Vorteilen zur gewünschten Entscheidung.

Wir können heute rund um die Uhr beinahe alles finden, mit nur einem Klick kaufen und uns nach Hause schicken lassen. Dennoch werden gemäss aktueller Studien rund 70% aller Online-Käufe abgebrochen. Häufig wegen unerwarteter Versandkosten, komplizierter Checkout-Prozesse oder fehlendem Vertrauen bei der Dateneingabe oder der Bezahlung. Mit Nudges lassen sich neuralgische Punkte im digitalen Marketing gezielt entschärfen. Sie erzeugen effizienter Interesse für unser Angebot. Und der Weg durch den Entscheidungsdschungel wird klarer und erfolgreicher – vorbei an Unsicherheiten, Ablenkungen oder fehlender Orientierung.

Praktische Einsatzmöglichkeiten

Laut einer aktuellen Studie kann die Kaufwahrscheinlichkeit um mehr als 15% sinken, wenn bei Produktbeschreibungen technische Details ergänzt werden. Im Gegenzug performen emotionale, mit postiven Erlebnissen verknüpfte Formulierungen besser. Auch Öffnungsraten lassen sich mit richtigen Nudges messbar steigern, am besten schon in der Betreffzeile: Formulierungen, die ein Produkt als «das beliebteste» oder «das erfolgreichste» darstellen, nutzen die Tendenz, uns gerne der Mehrheit anzuschliessen. Und Angebote mit limitierter Gültigkeit sind erfolgreicher, wenn sie die Zeitdauer («Nur noch 3 Tage») betonen statt das Enddatum («Nur noch bis 31.09.»). Passende Nudges entschärfen gewisse Problemfelder nachweislich und machen Kommunikationsmassnahmen erfolgreicher.

Bauch vs. Hirn

Wir verfügen über zwei unterschiedliche Systeme, um Entscheidungen zu fällen: Das automatische und schnelle System 1 ist ein unreflektierter Macher. Es ermöglicht mit minimalem Energieaufwand hunderte alltäglicher Handlungen – vom Tritt auf die Bremse bei roter Ampel bis zum mühelosen Sprechen in der Muttersprache. Komplexere Entscheidungen dagegen, wie eine massgeschneiderte Anlagestrategie oder die Suche nach dem perfekten Menu im Restaurant, sind die Domäne von System 2: Mit Logik und Erfahrung wägt es Dutzende von Parametern sorgsam gegeneinander ab. Dieses Verfahren von System 2 ist aufwendig, langsam und dadurch stresserzeugend. Deshalb meldet sich bei schwierigen Entscheidungen häufig System 1 mit schnellen Lösungen, die weniger Aufwand und Stress versprechen.

Ein kleiner Schubs spart Zeit und Mühe

Diese Tendenz zu energiesparenden Abkürzungen nutzen Nudges gezielt aus: Wird uns für eine eigentlich komplexe Aufgabe eine mühelose Lösung mittels System 1 angedeutet, erleichtert das unsere Entscheidung. Ein grösseres Angebot in einem Webshop generiert zwar mehr Interesse, senkt aber wegen zunehmender Komplexität die Kaufchance. Die Lösung hierfür verspricht ein Nudge namens «Hobson +1» – eine einfache Handlungsaufforderung zum Abschluss des Kaufprozesses. Er basiert auf der minimalen Auswahl mit nur einer Option («Genau das oder nichts«).

Eine derart limitierte Entscheidungsmöglichkeit ist aber in Zeiten permanent und überall verfügbarer Angebotsvielfalt kaum zielführend. Statt den Kaufabschluss also auf eine Ja/Nein-Auswahl zu verengen, erzeugt eine zweite, anders formulierte Handlungsaufforderung mit gleicher oder ähnlicher Wirkung den Eindruck einer Wahlmöglichkeit. Das macht den Kaufabbruch weniger wahrscheinlich. Jedem von uns ist dieser Nudge schon einmal begegnet. Schauen Sie einfach einmal nach, wie viele Buttons neben jedem der Millionen Artikel im weltgrössten Webshop zu finden sind. Zwar wissen wir nicht, welchen Effekt der zweite Button bei genau diesem Anbieter hatte – ein europäischer Elektronikanbieter steigerte seinen Online-Umsatz dadurch immerhin um 16%.

Freundliche Bitten mit messbarem Effekt

Zufriedene Käuferinnen und Käufer sind authentische, begehrte Markenbotschafter. Deshalb wird zur Gewinnung von Neukundschaft häufig die Teilnahme an einem Gewinnspiel als Belohnung eingesetzt. Französische Wissenschaftler haben untersucht, wie sich der Erfolg dieses erprobten Mechanismus verbessern lässt. Personen, die bei einem Anbieter von Extremsport-Artikeln eingekauft hatten, erhielten eine Mail mit der Bitte um Weiterempfehlung. Im Gegenzug wurden Geschenkgutscheine verlost.

Die Nachricht an die Gruppe 1 enthielt keine weiteren Zusätze. In der Gruppe 2 war der Mechanismus gekoppelt mit der Aufforderung, sich für den Newsletter anzumelden, bei Gruppe 3 kam zusätzlich noch die Teilnahme an einer kurzen Online-Umfrage dazu. Die Ergebnisse der Studie verblüffen: Obwohl der Aufwand von Gruppe zu Gruppe stieg, war die Erfolgsrate in der Gruppe 1 mit 3.5% am niedrigsten. In Gruppe 2 stieg sie auf 6% und in Gruppe 3, bei der die Verlosungsteilnahme mit dem höchsten Aufwand verbunden war, sogar auf rund 10%.

Ein Erklärungsversuch für diese nicht intuitive Steigerung kann unser Bedürfnis nach konsistentem Verhalten sein. Die Verhaltenspsychologie fasst dieses Phänomen mit dem Begriff «Commitment and Consistency» zusammen: Wenn wir eine Entscheidung für ein Produkt oder eine Marke getroffen haben, versuchen wir nach Möglichkeit, im Einklang damit zu bleiben und entsprechend zu handeln. Wir treffen also wahrscheinlicher Entscheidungen, die nicht im Widerspruch stehen zur bereits erfolgten Wahl. Dieser Wunsch macht uns offensichtlich empfänglich für eine Bitte, die in Zusammenhang mit unserer Entscheidung steht. Jeder Schritt im Dialog mit einer Marke stärkt offenbar die Bindung und unsere Bereitschaft, uns konsistent zu verhalten. Auch wenn das mit erhöhtem Aufwand verbunden ist. Die Herausforderung für eine Marke beim Einsatz dieses Nudges besteht dabei unter anderem darin, im Dialog als authentisch und schlüssig empfunden zu werden.

Entscheidend besser kommunizieren

Gerade bei wirtschaftlichen Entscheidungen verhalten wir Menschen uns häufig nicht rational. Diese grundlegende Erkenntnis der Verhaltensökonomie hat entscheidende Konsequenzen für den Dialog zwischen Marken und Zielgruppen. Wir sollten Informationen und Optionen auf eine Weise präsentieren, die intuitive, in unserem Unterbewusstsein verankerte Entscheidungsmechanismen berücksichtigen. Deshalb empfiehlt sich immer eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Wirkungsweise von Nudges. Der gezielte Einsatz dieser handlungsauslösenden Entscheidungshilfen macht aus guten Kommunikationsmassnahmen messbar erfolgreichere. Herausfinden lässt sich das am besten in einem A/B-Testing.

Raphael Bühler

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