Onlineshopping ist vor allem bequem. Doch es hat im Vergleich zum Vor-Ort-Kauf gravierende Nachteile: fehlende persönliche Beratung, kein haptisches Feedback, keine direkten Vergleichsmöglichkeiten. Interaktivität kann das zu fast 100 Prozent ausgleichen. Ein Kommentar
Der Trend zum Onlinekauf steigt seit Jahren kontinuierlich in die Höhe – Tendenz bislang ungebrochen. Doch was sind die Hintergründe? Zuvorderst die Bequemlichkeit der Kunden: Vom Turnschuh über den Elektroschrauber bis hin zu ganzen Küchen lässt sich heute wirklich alles online kaufen, ohne dass Interessenten sich dazu Schuhe anziehen oder auch nur die Couch verlassen müssten. Und für die Händler hat es den finanziell extrem grossen Vorteil, dass auf Verkaufsräume ebenso verzichtet werden kann, wie auf teures Personal in der Kundenberatung. Eigentlich ein perfektes Szenario. Doch mit einen gravierenden Manko: Beim Onlinekauf machen sehr viele Portale den grossen Fehler, und lassen den Kunden allzu sehr mit seinen Interessen alleine. Dabei müssen Onlineshops all das simulieren, was heute noch Ladengeschäfte zu Alleinstellungsmerkmalen verhilft. Der Trick dazu ist mehr Interaktivität. Und wie das geht, erklärt der folgende Artikel.
1. Kundenfeedback – Kostenlose Infos
Eine der einfachsten Möglichkeiten und zudem für den Verkäufer auch noch völlig kostenlos, ist die Implementierung von Feedback-Möglichkeiten. Eines der nahezu klassischsten Beispiele dafür sind die Kundenrezensionen von Amazon sowie die Möglichkeit der Produktbewertung durch Sterne. Das hat gleich auf mehreren Ebenen Vorteile:
- – Käufer bekommen ausführliche Ersthand-Informationen durch andere Benutzer. Das Vertrauen in solche Quellen ist bei den meisten Menschen grösser als in reine Shop-Informationen.
- – Viele haben den Drang, Erfahrungen mit anderen zu teilen, In Shops ist das ebenfalls eine kleine Form der Kapitalismus-Kritik, denn auch hier gilt die These des grösseren Vertrauens in vermeintlich neutrale Kundenfeedbacks.
- – Gleichzeitig können Interessenten sich die Produkte nach ihrem Bewertungsrang anzeigen lassen, also ebenfalls einer aus Kundensicht vertrauenswürdigeren Einteilung.
- – Nicht zuletzt bietet die Unterteilung des Feedbacks in leicht verständliche Symbole wie Sterne usw. einen extrem schnellen Überblick, der Käufer wird also nicht einmal gezwungen, die vielleicht von fragwürdiger Textqualität strotzende Rezension zu lesen.
In diesem Sinne sollten Shops jedem Käufer die Möglichkeit einräumen, jedes Produkt an sich zu bewerten – nicht nur die Transaktion mit dem Shop, denn letzteres riecht immer ein wenig nach Eigenlob. Immens wichtig bei dieser Vorgehensweise ist es allerdings, dass Rezensionen auch zeitnah veröffentlicht werden – nicht erst Wochen nach dem Kauf; ein fataler Fehler, den leider allzu viele Onlineshops begehen und der Kunden verprellt, weil diese glauben, dass Ihre Rezension dem Betreiber nicht wichtig wäre. Um alle Vorteile der Rezension zu bekommen, kann es deshalb auch hilfreich sein, die Käufer in gesonderten E-Mails einige Tage nach der Bestellung zum Bewerten aufzufordern. Natürlich birgt das im Internet die Gefahr, dass ein schlechtes Produkt gut sichtbar vernichtende Kritiken bekommt. Wer aber seine Kunden umfangreicher informieren will, kommt nicht um diese Grundlage herum. Vor allem, weil es ein echtes Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem klassischen Ladengeschäft darstellt.
2. Interaktivität
Besonders schlecht schneiden viele Onlineshops bei Produkten ab, die naturgemäss eine umfangreiche Beratung benötigen. Entweder, weil der Kunde neu in dieses Produktfeld einsteigen möchte, oder weil sie sehr kompliziert sind und für den Kauf Wissen benötigt wird, das nur nach langwierigem Befassen mit der Thematik zur Verfügung steht.
Eine Filterung nach Produktkategorien ist trotzdem nicht nur in kleinen Shops oftmals leider das höchste der Gefühle. Das führt dann aber dazu, dass ein potenzieller Kunde sich im Extremfall durch hunderte Produkte klicken muss – deren technische Informationen ihm aber nur wenig sagen. Aus Sicht einer grossen Auswahl ist das natürlich zunächst ein Vorteil. Aber aus einer anderen Perspektive wird diese Vielfalt zu einem Bumerang: Bei Kleidungsstücken beispielsweise ist Mehrinformation dem Kunden meist egal, er muss nur seine Grösse wissen und ein paar Fotos des Produkts präsentiert bekommen. Je technischer, je fachspezifischer aber eine Produktauswahl wird, desto mehr Informationen benötigen die potenziellen Käufer, nicht nur die Einsteiger: „Ist dieses Fahrrad für meine Fahrweise wirklich am besten geeignet?“ wird sich ein Kunde dann fragen – ein interaktiv schlecht agierender Webshop bleibt ihm aber dann die Antwort schuldig und treibt ihn somit direkt in die Arme eines klassischen Ladengeschäfts.
Da der Kontakt zu einem „echten“ Verkäufer online unverhältnismäßig komplex wäre, muss der Kunde deshalb auf andere Weise an die Hand genommen werden.
Und zwar durch interaktiv durchklickbare Menüs. Ein nahezu perfektes Beispiel ist dieser Fachberater für Skifahrer: Selbst Käufer, die sehr wenig Ahnung vom Wintersport haben, können anhand spezifischer Fragen ihre Auswahl eingrenzen. Und dieses Prinzip funktioniert bei praktisch allen Produkten, bei denen Kunden ohne Zusatzwissen nur schwer eine Kaufentscheidung treffen können.
- – Die Interaktivität entwirrt die Produktvielfalt, aus der Laien nur durch Information auf externen Seiten eine halbwegs passende Filterung vornehmen können.
- – Der Kunde bekommt nur eine Handvoll auf seine persönlichen Bedürfnisse zugeschnittene Produkte präsentiert.
- – Die Eingabe von persönlichen Daten wie dem eigenen Körpergewicht fällt Menschen im anonymen Web sehr viel leichter, als in Angesicht mit einem Verkäufer aus Fleisch und Blut.
Ideal ausgeführt, wird ein Kunde durch dieses System zu seinem eigenen Berater und kann zudem die Parameter beliebig verändern und erweitern – ohne dass daneben ein menschlicher Verkäufer auf die Uhr schaut. Damit wird das Onlineshoppen zu einem entspannteren Erlebnis – und liefert dennoch eine ähnliche Präzision wie ein Vor-Ort-Kauf.
Natürlich bedingt ein solches System aber auch eine sorgfältige Implementierung. Doch sobald die interaktive Auswahl einmal aufgebaut wurde, besteht die verbliebene Arbeit für die Betreiber aus Produktpflege und der Kategorisierung von neuen Waren nach den entsprechenden Schemata.
3. Das Auge kauft mit
Insbesondere sollte nicht vergessen werden, dass die optische Komponente eines Produkts, je nach Kategorie einen gleichen, wenn nicht höheren Stellenwert einnimmt, als sämtliche anderen Parameter. Deshalb muss der Kunde immer grafisch hochwertiges Bildmaterial geliefert bekommen. Das ist zunächst vor allem eine Frage der Shop-Software, die grosse Fotos erlauben muss. Aber auch hier ist Initiative seitens der Händler zwingend vonnöten: In einem Ladengeschäft kann der Kunde sein Produkt mit eigenen Augen von allen Seiten betrachten, es anfassen. Da letzteres im Web grundsätzlich unmöglich ist, muss der optische Reiz vergrössert werden:
- – Rundum-Ansichten und Detailfotos
- – Anklickbare Vergrösserungen
- – Dreidimensional drehbare Ansichten
Natürlich bedeutet das mehr Arbeit für Betreiber: Um sich optisch abzuheben, sollten deshalb nicht nur Fotos des Herstellers verwendet werden, selbst wenn diese das Produkt schon in einem guten Licht erscheinen lassen. Das hochwertige Ablichten von Produkten vor neutralem Hintergrund sollte daher generell Pflicht sein. Und auch die Möglichkeit für Kunden, Einzelaspekte näher heran zu zoomen. Ein absolutes No-Go in diesem Sinne sind Fotos, die sich zwar anklicken lassen, aber in der gleichen, kleinen Grösse öffnen, wie das Ursprungsbild – da fühlt sich jeder Kunde an der Nase herumgeführt.
Dafür müssen Shop-Betreiber heute nicht zwangsläufig mehr einen Fotografen engagieren – bei guter Ausleuchtung eigenen sich heute auch Smartphones durchaus für ansprechende Produktfotos. Und selbst die Bearbeitung können auch weniger-affine Kaufleute heute auf dem Tablet realisieren.
Doch vor allem bei teuren Produkten oder solchen, die technisch sind, sollten zudem auch Bilder einen Einsatz in der realen Welt zeigen. Um beim Beispiel mit dem Fahrrad zu bleiben sollten dann auch ein, zwei Schnappschüsse auf der Produktseite zu finden sein, die das Bike auf einer dem „natürlichen Lebensraum“ entsprechenden Strecke zeigen; also beispielsweise die Strasse für ein Rennrad und Gelände für ein Mountainbike.
Nicht für jedes Produkt notwendig, aber bei manchen Kategorien absolut verkaufsfördernd ist die 3D-Ansicht. Der Kunde bekommt also die Möglichkeit, die Ware über einen Regler stufenlos von allen Seiten sehen zu können. Dank Digitalfotografie ist das heute technisch verhältnismässig einfach realisierbar.
4. Vergleichsmöglichkeiten schaffen
Versetzen Sie sich in einen Kunden, der eine Kamera kaufen will, aber wenig Ahnung von der Materie hat: Die eine Kamera bietet diese Auflösung, die andere jene. Dutzende Parameter unterscheiden Produkte einer ansonsten gleichen Kategorie voneinander, vor allem natürlich im Bereich der Consumer-Elektronik. Auf einem normalen Webshop müsste der Kunde immer wieder zwischen mehreren Waren hin und her klicken, um die Daten zu vergleichen. Das ist nicht nur ermüdend, sondern vor allem ziemlich unkomfortabel und kann auch dafür sorgen, dass der Kunde ein Produkt kauft, das ihn nicht zufriedenstellt – und produziert somit weitere Probleme mit Rücksendungen für den Verkäufer.
Die Implementierung von Vergleichsmöglichkeiten ist auf technischer Ebene verhältnismässig einfach: Der Kunde setzt bei mehreren Produkten, die ihm zusagen, ein Häkchen und bekommt dann auf einer weiteren Seite die Möglichkeit, die Waren und deren Daten direkt nebeneinander zu vergleichen. Wenn dieser Vergleich dann noch mit den jeweiligen Rezensionen gekoppelt wird, bekommt der Käufer eine umfassende Flut an Informationen, aus der er ebenfalls für sich das Passendste heraussuchen kann.
Fazit
Im E-Commerce wird es aufgrund der immer weiter steigenden Marktanteile immer wichtiger, dem Kunden eine Kaufberatung zu geben, die ihm auch dann noch Entscheidungen ermöglicht, wenn er von der Produktkategorie keine genaueren Kenntnisse hat. Shop-Betreiber sollten deshalb nicht nur durch gute Fotos eine optimale optische Beurteilbarkeit ermöglichen, sondern darauf aufbauend ihren Kunden durch ein aufeinander abgestimmtes System von interaktiven Verkaufsberatern, Feedback und Vergleichen ähnliche Beurteilbarkeiten ermöglichen, die sonst nur ein Vor-Ort-Kauf und die Konsultierung eines Verkäufers bieten.
Autor: Günter Grühn