Frank Bodin
CEO Havas in Zurich/Genève, Präsident ADC Switzerland, Vorstand KS/CS Kommunikation Schweiz, Beirat Center for Communication an der HWZ, Gastdozent an mehreren Universitäten
Studium am Konservatorium und an der juristischen Fakultät der Universität Zürich. Pianist und Komponist. 1992 Einstieg in die Werbung bei der GGK. Unzählige Auszeichnungen von allen bedeutenden Wettbewerben weltweit und Werber des Jahres. Frank Bodin hat nebst der Verantwortung des Schweizer Geschäfts von Havas auch internationale Aufgaben: Von 2011 bis 2013 machte er sich auch in Österreich als CEO und Turnarounder einen Namen. Von 2014 bis 2016 war er Chairman des Global Creative Council des in 75 Ländern tätigen Agenturnetzwerks.
Er ist der einzige Werber, der den Branchenverband leading swiss agencies (ehemals BSW) sowie den ADC Switzerland präsidierte, was sein breites Interessenspektrum zeigt. Frank Bodin ist nicht nur Manager und in mehreren Verwaltungs- und Stiftungsräten, sondern nach wie vor auch kreativer Macher. So macht er Kunst mit Robotern (he-bo.net), komponiert («enCore» für grosses Orchester wurde 2016 in der Tonhalle Zürich uraufgeführt) und schreibt (2015 ist im Verlag Hermann Schmidt (Mainz) sein jüngstes Buch “Do it, with love – 100 Creative Essentials” erschienen, das inzwischen in der fünften Auflage ist).
Herr Bodin, Sie sind ausgebildeter Pianist und Komponist. Was hat Sie dazu beweget, in die Werbung einzusteigen?
Mit 22 Jahren wurde ich auf meinem Motorrad von einem Auto angefahren und landete mit einem dreifachen Beinbruch im Spital. Gleichzeitig war meine Wohnung gekündigt, hatte meine damalige Freundin mit mir Schluss gemacht, musste ich etwa 30 Konzerte absagen und konnte nicht zu den Prüfungen an der Uni antreten. Im Spital hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben Zeit. Zeit auch darüber nachzudenken, was ich wirklich kann und wirklich will. Ich erkannte, dass es zur grossen Musikerkarriere nicht reicht. Ein Arzt und guter Freund sagte mir einmal, «Intelligenz ist, seine eigenen Grenzen zu kennen.» Natürlich änderte ich mein Leben nicht von heute auf morgen, aber ich probierte Neues und neue Wege aus. Nebst dem Jurastudium begann ich mit Opernregie in Hamburg bei Rolf Liebermann. Dass ich jemals in der Werbung arbeiten würde, hätte ich mir damals nicht träumen lassen – dazu war ich zu konsum- und werberesistent. Dass ich mich dann doch für Werbung zu interessieren begann, hatte mit den Menschen zu tun, die in dieser Branche arbeiteten. Das grösste Interesse galt einer Werbeassistentin bei Aebi & Partner. Durch sie lernte ich zahlreiche weitere kluge, kreative, aussergewöhnliche Persönlichkeiten kennen. An einem ADC Fest fand ich, dass ich das dort Gezeigte auch könne und wollte es beweisen. Meine erste Chance als Texter dreier Anzeigen für das Grand Hotel Victoria Jungfrau der Agentur Iten wurden dann auch gleich vom ADC mit Bronze belohnt. Aber den wirklichen Einstieg in die Werbung machte ich erst, als ich in Hamburg einen Telefonanruf erhielt, dass ich Vater von Zwillingen werden würde.
In der Schweiz ist Havas eine der renommiertesten Werbeagenturen. Mit der Agentur stehen Sie hinter einigen der bekanntesten Werbekampagnen der Schweiz. Welchen Projekten und Arbeiten nehmen Sie sich genau an?
Mit wenigen Ausnahmen bin ich in alle Projekte und Arbeiten involviert, wenn auch manchmal nur im Hintergrund. Die letzten Jahre war ich zudem mit der Entwicklung neuer Geschäftsfelder beschäftigt wie das Performance Marketing in Zürich oder die digitale Transformation unserer Agentur in Genf oder die neue Branding-Unit, die jetzt dann offiziell an den Markt geht. Und dann sind da noch die eine und die andere internationale Aufgabe. Ich war interimistisch CEO in Österreich und leitete zuletzt das Global Creative Council von Havas, wo ich unter anderem die Einführung eines qualitativen Incentive-Systems in über 60 Ländern mitverantworten durfte.
Welche Trends erkennen Sie innerhalb des Werbemarktes und wie gehen Sie und die Havas Schweiz diese an?
Erstens wird die Personalisierung der Werbung dank smarten Daten zunehmen und als Folge davon eine Automatisierung. Zweitens werden derzeit und in den nächsten Jahren die grössten Fehlentscheidungen gemacht – die Zunahme an Möglichkeiten versperrt in vielen Unternehmen den Blick aufs Essentielle wie zum Beispiel die konsistente, langfristige Markenführung und Einfallsreichtum. Werbung ist nicht gleichzusetzen mit Information, sondern sie ist Information plus einen emotionalen Mehrwert. Wer dieses Kommunikationsnaturgesetz vergisst, läuft Gefahr, fundamentale Fehler zu machen. Noch nie wurden so viele Werbegelder in marginalen, vermeintlich messbaren Kanälen versenkt. Nur weil ein Medium nicht messbar ist, bedeutet es nicht, dass es nicht wirksam ist. Vor lauter Algorithmen den gesunden Menschenverstand auszuschalten, empfiehlt sich nicht. Menschen lechzen nach Neuem – darum löst ein Trend den anderen ab. Technologie war noch nie die Lösung. Sie ist ein Werkzeug. Die Lösung sind Ideen. Ohne die richtige Idee gekoppelt an das tiefe Verständnis für die Wünsche und Gefühle der Menschen verpufft jede Kampagne. Die Kunst bleibt es, Marken-Loyalität jenseits jeglicher Logik und Vernunft zu schaffen. Darum sind Marketer, welche Technologie und Kreativität zu vereinen wissen, wichtiger denn je.
Was sind Ihre Ziele mit Havas Schweiz für die nächsten Jahre?
Als ich CEO wurde, habe ich zwei Ansprüche definiert, die für mich noch heute Gültigkeit haben: 1. Ich möchte alles tun, damit wir die beste Agentur für unsere Kunden sind, 2. Ich möchte alles tun, damit wir der beste Arbeitgeber für unsere Mitarbeitenden sind.
Nach Ihrem Start als Quereinsteiger im Jahr 1992 und einigen erfolgreichen Jahren Sie sind heute Chef der Havas in Zürich und Genf, Präsident des ADC Switzerland, Vorstandmitglied von KS/CS Kommunikation Schweiz, im Beirat des Center for Communication an der HWZ sowie Gastdozent an mehreren Universitäten. Welcher Meilenstein in Ihrer beruflichen Laufbahn macht Sie besonders stolz?
Meine Kinder Leonie, Manon, Jan und Ayleen sind das mit Abstand Grösste in meinem Leben. Ich hoffe, ich konnte und kann ihnen ein guter Vater sein, der sie inspiriert, motiviert und einfach liebt. Ansonsten blicke ich lieber nach vorne als zurück, darum fällt mir eine Aufzählung schwer. Als Agentur-Manager darf ich über zahlreiche geglückte Turnarounds froh sein und damit einhergehend für eine doch ganz stattliche Anzahl von Mitarbeitenden gute Arbeitsplätze kreiert zu haben. In meiner DNA liegt die Freude, Dinge zu verändern und rasch voran zu bringen. Dass ich einen Beitrag dazu leisten konnte, den ehemaligen Bund Schweizer Werbeagenturen zu einem Verband zu verändern, der mit Qualitätsstandards den Kunden Investitionssicherheit gibt, ist nicht so schlecht. Wie auch, den altehrwürdigen ADC zur führenden Vereinigung der Kreativen der Kommunikationswirtschaft ummodelliert zu haben, mit einem anerkannten berufsbegleitenden CAS und einer eigenen Galerie und zahlreichen weiteren Neuerungen. Das gilt für alle meine Tätigkeiten: Wenn ich etwas mache, dann mit Passion mit vollem Einsatz.
Sie haben schon unzählige Auszeichnungen gewonnen und wurden im Jahr 2009 zum Werber des Jahres gekürt. Was bedeuten diese Auszeichnungen für Sie und inwiefern sind sie eine Belohnung für Ihre Arbeit und Ihr Engagement?
Auszeichnungen muss man nur Beachtung schenken, wenn man keine gewinnt. Ich freue mich vor allem für die Kunden und die Mitarbeitenden, wenn sie diese zusätzlichen kreativen Streicheleinheiten erhalten.
Im Jahr 2015 ist Ihr Buch «Do it, with love – 100 Creative Essentials» erschienen. Was hat Sie dazu gebracht, ein Buch zu veröffentlichen? Welche Bedeutung hat dieses Werk für Sie?
2011 eröffnete ich eher widerwillig einen Twitter-Account und beschloss ein Experiment: Ich kündigte an, ein Jahr lang jeden Tag einen Gedanken zum Thema Kreativität zu schreiben. Ich nannte diese «Creative Imperatives» und begann mit 1/365, nicht wissend, wo das hinführt. Es dauerte nicht lange und es beteiligten sich immer mehr Leute, indem sie auch eigene «Creative Imperatives» schickten. So ist ein Gemeinschaftswerk mit über 700 Gedanken entstanden. Übrigens erstaunlich, wer alles davon wusste – ich wurde in anderen Ländern von wildfremden Leuten darauf angesprochen, weit ausserhalb meiner Community, welche aber durch Retweets und Shares die «Creative Imperatives» kannten. Dass sich das Buch in den Buchhandlungen hält und inzwischen in der fünften Auflage ist, freut mich natürlich auch für den wunderbaren Verlag Hermann Schmidt in Mainz.
Wie managen Sie Ihre anspruchsvollen Positionen, sodass Ihre Freizeit nicht zu kurz kommt? Stichwort Work-Life-Balance.
Schlecht. Meine Kinder sind das Wichtigste in meinem Leben und auch der ursprüngliche Grund, warum ich in die Werbung ging. Die vergangenen eineinhalb Jahre waren für mich in unterschiedlichster Hinsicht eine grosse Herausforderung, leider auch wegen tragischen Ereignissen. Musik bleibt eine Konstante in meinem Leben und der beste Weg, mich zu regenerieren. Die zwei Orchesterwerke, die ich nebenbei schrieb, führten mich ans Limit. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit für Musse.
Wie sieht bei Ihnen ein “normaler” Arbeitstag aus? Gibt es diesen überhaupt?
In unsere Branche zu arbeiten ist nach wie vor ein Privileg, weil wir keine normale Nine-to-five-null-acht-fünfzehen-Branche sind. Einen normalen Arbeitstag empfinde ich darum als einen schlechten Arbeitstag. Unsere Arbeit ist es, die Menschen mit überraschender Kommunikation zu gewinnen, eben nicht ganz normal.
Wir von marketing.ch bedanken uns ganz herzlich bei Ihnen für ihre Zeit und das spannende Interview!