Jede Minute wird ungefähr 300 Stunden an Videomaterial auf YouTube hochgeladen – wir werden wohl nie all den Content auf der Plattform konsumieren können. YouTube hilft dir aber mit der Start- und der Entdecken-Seite auf der App, Videos zu finden, die dich tatsächlich interessieren. Doch wie kommt es, dass du immer wieder dieselben Videos von ähnlichen Kanälen zu sehen bekommst?
5 Minute Crafts, Troom Troom, Blossom, Mr. Cakes, Yummy… Das sind nur einige Beispiele von YouTube Kanälen, die in die Kategorie der Content Farmen fallen. Content Farmen sind Unternehmen oder Organisationen, die Content wiederholt auf einem oder mehreren Channels hochladen, um so möglichst viele Views und somit Werbeeinahmen zu generieren.
Content Farming ist nicht neu
Die Content Farmen gibt es nicht erst seit Zeiten von YouTube. Auch Webseiten haben mittels Content Farming versucht, möglichst viele Clicks und Leser für ihre Beiträge zu generieren. Die geschriebenen Texte waren dabei nur recycelter oder wiederholter Content, der einfach und schnell zu replizieren war. Mit duzenden oder hunderten von Schreibern und Schreiberinnen überfluteten die Unternehmen ihre Webseite mit Beiträgen.
Dieses Konzept lässt sich so auch auf Videos überwälzen. Auf YouTube finden sich Content Farmen primär im Bereich der DIY und Life Hack Videos. Denn der Content muss evergreen sein, damit das Content Farming wie geplant funktioniert. Content Farmen überleben also mit dem Erstellen von zeitlosem, unaufwändigem Inhalt, den sie wieder und wieder veröffentlichen können.
So sieht Content Farming aus
Vielleicht ist dir einer der Kanalnamen aus der Einleitung bereits bekannt vorgekommen. Damit du eine klare Vorstellung davon hast, was eine Content Farm ist, schauen wir uns zwei Beispiele an.
5 Minute Crafts
5 Minute Crafts hat seinen Sitz in Zypern und veröffentlicht Videos in englischer Sprache. Mit über 72.3 Millionen Abonnenten ist 5 Minute Crafts gemäss Socialblade auf Platz 13 der YouTube Kanäle mit den meisten Subscribern. Der Kanal ist demnach extrem erfolgreich und verzeichnet insgesamt über 20 Milliarden Views.
5 Minute Crafts veröffentlicht 5-7 Videos pro Woche, wobei die meisten ca. 10 Minuten lang sind. Das ist ein klassisches Merkmal von Content Farmen: Sie laden sehr viele, nicht allzu lange Videos hoch, um so möglichst viele Views abzustauben. Nennenswert ist hier auch der Fakt, dass YouTube Werbepausen in den Videos erst ab 10 Minuten Länge erlaubt. Kürzere Videos lohnen sich also monetär weniger für die Kanäle.
Knallig und inhaltslos
Die Thumbnails der Videos sind immer bunt und auffallend und die Titel kommen direkt aus dem Clickbait-Handbuch. Das an sich ist kaum überraschend, diese Taktiken werden auf YouTube gerne und oft verwendet, auch wenn sie nicht immer gut ankommen. Viel irritierender sind die Inhalte der Videos. 5 Minute Crafts beschreibt den Kanal selbst so: «Fun diy-projects, crafts, experience the joy of doing it yourself!», und betitelt diverse Videos als (Life) Hacks.
Dass kaum ein Hack umsetzbar ist bzw. sinnvoll ist, scheint die Kanalbetreiber kaum zu interessieren. Die grösste Kritik an 5 Minute Crafts ist nämlich, dass sie keine informativen oder lehrreichen Informationen vermitteln, die tatsächlich zum Gelingen von Hacks, Crafts oder DIY-Projekte beitragen. Vielmehr wirken die Videos schon fast surreal, da sie wohl kaum jemandem das Leben erleichtern.
Mr. Cakes
Ein weiteres Beispiel einer Content Farm ist der Kanal Mr. Cakes. Mit 4.39 Millionen Abonnenten und über 1 Milliarde Views ist der Kanal zwar noch nicht ganz so gross wie 5 Minute Crafts, hat aber trotzdem eine beachtliche Anzahl von Zuschauern. Die Grundsätze bei Mr. Cakes sind aber dieselben: Titel mit Clickbait, auffallend schöne Thumbnails und extrem frequente Uploads von ca. 10-minütigen Videos.
Was bei Mr. Cakes aber zusätzlich sehr schnell auffällt ist, wie oft sich der Content wiederholt. Die Bilder auf den Thumbnails sind sehr oft dieselben, was auch auf die Inhalte der Videos zutrifft. Gleichzeitig wird im Video selbst oftmals nicht das gemacht, was auf dem Bild angepriesen wird. Die exakt selben Thumbnails und Videos werden übrigens von zahlreichen anderen Kanälen wie Mr. Chef, Ms. Cakes, Satisfying Chocolate und so weiter verwendet.
Die Anzeichen einer Content Farm
Daraus lassen sich also einige Auffälligkeiten zusammenfassen, die darauf hinweisen, dass der Kanal einer Content Farm angehört. Hier eine – nicht abschliessende – Liste der Merkmale:
- Frequente Uploads (1 Video täglich, wenn nicht mehr)
- Videos sind immer ca. 10 Minuten lang
- Oft Hacks, DIYs, Crafts usw.
- Wiederholende Thumbnails
- Gleiche Inhalte
- Mehrere Kanäle mit denselben Videos
- Clickbait Titel
Das Problem mit den Content Farmen
Das Problem mit solchen Content Farmen ist nicht (nur), dass die Videos keinen Content mit Mehrwert verbreiten. Vielmehr geht es darum, dass diese Kanäle in die Feeds der User geschwemmt werden und Abermillionen von Views einsammeln, während es seriöse Content-Creators kaum auf die Trending-Liste schaffen von YouTube. Das diskreditiert die Content-Creators und pusht die Content Farmen, die Inhalte schamlos widerholt hochladen und davon profitieren.
Gefahren für die jungen Zuschauer*innen
Gerade weil die Videos auch auf junge Zielgruppen zugeschnitten sind, werden sie von Kindern wohl oft gesehen. In vielen Videos wird mit heissen oder scharfen Materialien gearbeitet, wie Heissleim, heisse Flüssigkeiten (Caramel, gekochtes Wasser o.ä.) oder Messer, Rasierklingen und ähnliches.
Eine andere, sehr ernstzunehmende Problematik sind die Falschinformationen, die in vielen dieser Videos verbreitet werden. So werden beispielsweise Erdbeeren in Bleichmittel gelegt, um «weisse Erdbeeren» zum Verzehr zu haben, oder Eiscreme mit Aktivkohle angereichert, um die Farbe des Vanille-Glaces zu ändern. Dass diese Zutaten, natürlich vor allem das Bleichmittel, nicht eingenommen werden sollen, wird mit keinem Wort erwähnt. Auch YouTuber*innen, wie Ann Reardon, machen auf die gefährlichen Hacks aufmerksam.
Das sagt YouTube
Vor allem wenn man diese negativen Effekte im Hinterkopf hat, die diese Content Farmen bewirken, würde man meinen, YouTube geht streng gegen diese Channels vor. Denn auch in den YouTube Richtlinien steht:
«Die folgenden Arten von Inhalten sind auf YouTube nicht erlaubt. […]
- Identische Inhalte, die wiederholt auf einem oder mehreren Kanälen veröffentlicht werden
- In großen Mengen hochgeladene Inhalte, die von anderen Creatorn gestohlen wurden»
Wenn man berücksichtigt, dass beispielsweise die Videos von Mr. Cakes Zusammenstellungen von Videos anderer sind, die auf diversen Kanälen so verbreitet werden, verstösst dies klar gegen die Richtlinien von YouTube. Trotzdem bestehen diverse Kanäle wie 5 Minute Crafts, die je länger je mehr Abonnenten gewinnen. Gemäss Mediummagazine lehne YouTube die Verantwortung für solche Videos jedoch ab, wenn diese kritisiert werden, da sie «nicht gegen [ihre] Richtlinien verstossen.»
Das kannst du tun
Wenn du über solche Click Farm Video stolperst und bemerkst, dass sie gefährliche Inhalte verbreiten oder schlichtweg dieselben Videos immer und immer wieder posten, dann kannst du das Video melden. YouTube wird das gemeldete Video im Anschluss überprüfen. Leider reicht es an sich nicht, wenn das Video einen Daumen runter und einen wütenden Kommentar von dir erhält, denn am Ende des Tages ist auch das Engagement für das Video, was es noch mehr pushen wird.
In YouTubes Händen
Eine tatsächlich langfristige Lösung müsste aber Seitens YouTube erfolgen. Dies, indem sie zum einen ihren Algorithmus anpassen, sodass die Videos von Content Farmen nicht mehr trenden und empfohlen werden, und indem sie (mit echten Personen) prüfen, welche Channels und Videos tatsächlich den Guidelines entsprechen und welche nicht.
Natürlich können Mitarbeitende von YouTube nicht alle Videos auf der Plattform manuell prüfen, das wäre unmöglich. Mit über 70 Millionen Abonnenten wird 5 Minute Crafts aber wohl auf dem Radar von YouTube sein und könnte, wie auch andere Content Farmen, von YouTube unter die Lupe genommen werden. So könnte wirksam gegen Content Farmen vorgegangen werden.