Stell dir vor, du siehst ein Video von dir, in dem du einen Brand promotest. Du hast aber noch nie davon gehört und das Video aufgenommen hast du auch nicht. Trotzdem bist du da, auf dem Bildschirm, und sprichst Worte, die dir fremd vorkommen. Das wirkt surreal, ist aber durchaus möglich – mit Deepfakes.
Der Begriff Deepfake kam im Internet erstmals 2017 auf und ist seither ein immer noch etwas unbekanntes Phänomen modernster Technik. Doch tatsächlich können wir mittlerweile dank Apps sogar Deepfakes auf unserem Smartphone herstellen – und das innert weniger Sekunden.
Nebst AR und VR sind Deepfakes im Marketing die Möglichkeit, herauszustechen und neue Kundenerlebnisse zu bieten. Die Welt der Deepfakes ist aber nicht nur faszinierend, sondern kann sehr schnell auch düster werden.
Was genau sind Deepfakes?
Das Wort Deepfake setzt sich aus den Begriffen «deep learning» und «fake» zusammen. Das verrät uns, dass es sich dabei um maschinelles Lernen handelt, also künstliche Intelligenz, und um etwas, das gefälscht wird. Bei Deepfakes wird das Gesicht und/oder die Stimme einer Person mittels künstlicher Intelligenz rekonstruiert. Somit kann eine Rede, eine Performance, ein Telefonanruf und vieles mehr gefälscht werden, die so nie stattgefunden haben.
Damit ein Deepfake erstellt werden kann, benötigt man eine Auswahl verschiedener Bilder und O-Töne der Person, die man deepfaken will. Gerade darum sind Promis beliebte Sujets dieser Technik. Ein äusserst bekanntes Beispiel eines Deepfake-Videos ist jenes von Barack Obama, in dem ihm die Worte «President Trump is a total and complete dipshit» in den Mund gelegt werden.
Was wurde mit Deepfakes bereits gemacht?
Auch wenn die Technologie der Deepfakes noch verhältnismässig jung ist, so wurde sie schon vielseitig gebraucht und leider auch missbraucht.
In den falschen Händen
Vor allem in seiner Anfangsphase wurden Deepfakes genutzt, um Promis in Situationen darzustellen, die nicht existieren. So wurden übermässig viele pornografische Inhalte – mit den «Promis» – erstellt und weiterverbreitet. Eine US-Senatorin verlor gar ihre Karriere, da sogenannter Revenge Porn verbreitet wurde, in den die Politikerin mittels Deepfake eingesetzt wurde.
Das ist leider kein Einzelfall. Es gibt zahllose weitere Beispiele von politischen Reden, die mittels Deepfake gefälscht wurden, und Betrugsmaschen, die abgezogen wurden. So haben Betrüger die Stimme eines CEOs repliziert und seinem Geschäftskunden angerufen. Mit der Stimme des Bosses verlangten sie hunderttausende Euro auf ein Konto überwiesen – was der Geschäftskunde auch tat. Nutzen also Personen mit böswilligen Hintergedanken diese Technologie, so kann es zu unethischen und illegalen Aktionen kommen.
Für Gutes Nutzen
Sollten Deepfakes daher überall verboten werden? Das steht zur Debatte. Schon Social Media Kanäle wie beispielsweise Facebook distanzierten sich von der Technologie und verbieten sie auf ihrer Plattform. Wenn Deepfakes aber genutzt werden, um eine positive Message zu verbreiten, so kann man damit auch gutes bewirken.
Ein sehr prominentes Beispiel dafür ist die Marketing Kampagne «Malaria must die» mit Fussballstar David Beckham als Hauptdarsteller. Das aussergewöhnliche am Video ist, dass Beckham in neun verschiedenen Sprachen spricht. Das wurde dank deepfaking möglich gemacht. Das Video konnte so in verschiedensten Ländern gezeigt werden und erreichte mehr Personen und somit mehr Spenden.
Auch Hollywood ist mit dabei
Deepfakes haben ihren Weg bis nach Hollywood gefunden. Denn auch in Filmen wurden Deepfakes genutzt. Das wohl berühmteste Beispiel darunter ist der Film Rogue One: A Star Wars Story. Die beiden verstorbenen Schauspieler Peter Cushing und Carrie Fisher wurden so in den Film eingefügt, der im Jahr 2016 veröffentlicht wurde.
Deepfakes zu Marketing Zwecken
Das obenstehende Video zeigt Marketern eindrücklich auf, wie Deepfakes das Marketing revolutionieren können. Nur schon der Faktor der Kosteneinsparung ist riesig: Der Darsteller eines Werbespots muss nicht stundenlang vor der Kamera stehen und seine Takes in verschiedenen Sprachen aufnehmen.
So kann beispielsweise ein einziges Video aufgenommen werden, aus dem dann vier weitere in anderen Sprachen erstellt werden können. Ist genügend Videomaterial des Darstellers vorhanden, so muss nicht einmal der ganze Spot aufgenommen werden. Auch bei fehlendem Material oder fehlerhaften Takes kann man mittels Deepfaking die nötigen Ergänzungen und Anpassungen machen.
Die ultimative Personalisierung
Mittels AR-Techniken kannst du Sneakers mittels deinem Smartphone auf deine Füsse setzen. Mit Deepfakes geht das noch einen Schritt weiter: Du kannst ganze Outfits entweder an verschiedenen Models ansehen, mit verschiedenen Hautfarben, Kleidergrössen und Aussehen, oder auch gleich an dir selbst.
Targeting voll nutzen
Auch Zalando hat sich die Deepfake-Technologie bereits zu Nutze gemacht. In einer ihrer Werbekampagne mit Model Cara Delevingne wollte Zalando aufzeigen, dass sie ihre Topshop Kollektion in alle Ecken von Europa verschicken. So erstellten sie über 60’000 verschiedene Versionen des Videos – alle auf verschiedene Ortschaften zugeschnitten. Im Video erwähnt Delevingne so den Namen der Stadt, in der das Video gezeigt wird. Mittels entsprechendem Targeting wurde das Werbevideo den Personen der entsprechenden Ländern und Städten ausgespielt. So hat Zalando Millionen von Usern extrem personalisiert angesprochen.
Wettbewerbsvorteil schaffen
Wenn du die Deepfake-Technologie also beherrschst und damit eine Kampagne wie jene von Zalando auf die Beine stellst, so schaffst du dir klar einen Wettbewerbsvorteil. Du hebst dich von der Konkurrenz ab, du personalisierst deine Werbeinhalte und sparst beim Dreh eines Werbespots sogar noch Geld ein.
Wichtig hier ist, dass du deine Kunden wissen lässt, dass du mit AI gearbeitet hast, um die Inhalte zu erstellen. Ansonsten können sich deine Kunden hinters Licht geführt fühlen und du kannst Vertrauenseinbussen oder gar Imageschäden davontragen. Deine Kunden müssen also wissen, ob dein Video komplett real ist, oder ob du Inhalte mittels Deepfake-Technologien verändert, ergänzt oder komplett neu erstellt hast.
Verschwommene Linien
Die Nutzung von Deepfakes ist also noch etwas in einem Graubereich. Für Marketer ganz klar ist, dass niemals ein Gesicht oder eine Stimme einer Person für eine Kampagne genutzt werden darf, die nicht ihr Einverständnis dazu gegeben hat. Und auch wenn dies logisch erscheint, so zeigt die Praxis, dass nicht alle (Privat)Personen dieses Verständnis haben. Denn Deepfaking wurde und wird leider auch genutzt, um anderen Schaden zuzufügen.
Die Gesetzgebung hat keine konkreten Vorschriften zu den Deepfakes, auch wenn es Länder bzw. Staaten gibt, die beginnen, Gesetze gegen diese technischen Fälschungen aufzusetzen. Dabei handelt es sich meist um Verbote, Deepfakes für politische Täuschungen oder bei pornografischen Inhalten zu verwenden.
Persönlichkeitsschutz
Auch wenn es in der Schweiz noch kein spezifisches Gesetz betreffend der Deepfakes gibt, so sind Betroffene nicht komplett hilflos. Deepfakes können, mit entsprechenden Technologien, erkennt werden, womit sie als Fälschung enttarnt werden können. Des Weiteren haben wir Recht an unserem eigenen Bild, womit du gegen Personen vorgehen kannst, die dein Gesicht ohne dein Einverständnis für Deepfake-Videos nutzen.
Fortschritt ist unaufhaltbar
Die Deepfake-Technologie bringt spannende neue Möglichkeiten mit sich – im Marketing, in Filmen und allgemein im Unterhaltungssektor. Auch wenn das Deepfaking noch einschüchtern kann und seine Risiken mit sich bringt – wir können den technischen Fortschritt nicht aufhalten. Daher ist uns wohl besser geholfen, wenn wir lernen, Deepfakes zu erkennen und im Umgang damit sensibilisiert werden. Auch Regulierungen und Gesetze können helfen, die Risiken einzudämmen. Denn wenn wir Deepfakes für Gutes nutzen, so bieten sie uns die Möglichkeit, breite Massen mit spezifischem Content anzusprechen und überdurchschnittlich gute Resultate zu erzielen.