Verschwörungstheorien und Fake News haben speziell während der Corona-Pandemie Hochkonjunktur. Aufgrund der ersten Zulassungen von COVID-19-Impfstoffen werden auf Social Media vermehrt haarsträubende Fehlinformationen zu den Impfungen verbreitet. YouTube, Facebook und Twitter haben unlängst bekanntgegeben, dass sie das Problem gemeinsam bekämpfen wollen. Das wirft Fragen auf: Warum gingen die Big-Tech Unternehmen das Problem nicht früher ernsthaft an und ist dieser Kampf jetzt überhaupt noch zu gewinnen?
Bereits im Februar, als sich die Pandemie weltweit schnell ausbreitete, warnte die WHO vor einer „Infodemic“, einer Welle von Fake News und Fehlinformationen über COVID-19 in den sozialen Medien. Diese Welle hat sich seither auf Social Media nahezu ungehindert ausgebreitet und betrifft oft auch die Corona-Impfung. Die Aussagen der Verschwörungstheoretiker sind so unbegründet wie haarsträubend: Das Erbgut des Menschen werde verändert, mit der Spritze würde den Menschen ein Mikrochip eingepflanzt oder die Impfung verursache Krankheiten. Auch wenn wir diese „Schwurbler“ belächeln, sind sie doch brandgefährlich, denn die Bereitschaft zur Impfung gegen COVID-19 sinkt in der Schweiz stetig. Im Vergleich zu einer Umfrage im Frühling hat die Impfbereitschaft um gute 10 Prozent abgenommen. In einer Online-Umfrage von Tamedia gaben nur noch 27 Prozent der Befragten an, dass sie sich sicher gegen Corona impfen lassen wollen.
Der Kampf gegen Fake News auf Social Media
Mit teils subtilen Fehlinformationen wird die Bevölkerung getäuscht, wie dieses Beispiel auf TikTok zeigt:
Mittlerweile wurde das obenstehende Video wieder von TikTok entfernt.
Londons Bürgermeister Sadiq Khan liess sich Ende September für eine Kampagne zur Grippeimpfung ablichten. Impf-Skeptiker machen mit diesem Bild Stimmung gegen die Corona-Impfung, obwohl das Bild nachweislich nichts mit der Impfung gegen COVID-19 zu tun hat.
Twitter hat diese Woche in einem Blogpost mitgeteilt, wie das Unternehmen gegen Fake News in Bezug auf die Corona-Impfung vorgehen will. Drei der grössten sozialen Netzwerke haben vor wenigen Wochen angekündigt, dass sie sich mit Faktenprüfern, Regierungen und Forschern zusammenschliessen, um einen neuen Weg zur Bekämpfung von Fehlinformationen zu finden. Neben Facebook, Google-Tochter YouTube und Twitter beteiligen sich das britische Ministerium für Digitales, Kultur, Medien und Sport, das Reuters Institute for the Study of Journalism, Africa Check, das kanadische Privacy Council Office und fünf weitere internationale Fact-Checking-Organisationen an der Aktion.
Mit finanzieller Unterstützung von Facebook wird im Januar ein erstes Framework auf den Markt kommen, das neue Standards für den Umgang mit Fehlinformationen sowie eine Reihe von Zielen für die Reaktion auf solche Desinformationskampagnenfestlegt. Leider ist der Schaden schon angerichtet und ich frage mich, warum die Big-Tech Unternehmen ihre Bemühungen jetzt erst verstärken, denn das Thema Fake News ist bei weitem nicht neu.
Falschinformationen verbreiten sich weiterhin rasant auf Social Media
Das Centre for Countering Digital Hate sagt, dass 95 Prozent solchen Materials in sozialen Medien nicht entfernt wird und ein riesiges Publikum erreicht. Laut der Netflix-Dokumentation „Social Dilemma“ verbreiten sich Fake News inzwischen sechsmal schneller als echte Nachrichten – so scharf sind die Algorithmen der sozialen Medien darauf, den Appetit auf Skandale und Verschwörungen auszunutzen.
Eine weitere Herausforderung für diese Initiative wird darin bestehen, Social-Media-Giganten mit sehr unterschiedlichen Ansätzen in Bezug auf Fake News dazu zu bringen, sich auf ein gemeinsames Regelwerk zu einigen. Unterdessen werden die Politiker ungeduldig, beispielsweise hat die Labour-Partei in Grossbritannien eine Notstandsgesetzgebung gefordert, um Anti-Impf-Fehlinformationen auszumerzen.
Imran Ahmed, CEO des Centre for Countering Digital Hate, sagte in einer Erklärung: „Die heutige Änderung der Richtlinien ist längst überfällig, aber es gibt keine Garantie, dass sie ordnungsgemäss durchgesetzt wird.“ Facebook habe schon Anfang des Jahres versprochen, Fehlinformationen über das Coronavirus zu entfernen. In den Monaten danach habe man gesehen, dass sie ihre eigenen Richtlinien nur selten durchsetzen.
Vertrauen muss aufgebaut werden
Falsche Informationen, die von der sogenannten „Anti-Vaxxer“-Bewegung verbreitet werden, könnten die Menschen davon abhalten, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, sagt Rachel O’Brien, Leiterin der WHO-Immunisierungsabteilung, gegenüber der AFP. „We are very concerned about that and concerned that people get their info from credible sources, that they are aware that there is a lot information out there that is wrong, either intentionally wrong or unintentionally wrong.“
Auf Social Media wird sich so schnell nichts ändern, deshalb müssen die Gesundheitsbehörden mit gutem Community Building und wirksamen Informationskampagnen den Falschinformationen über die Corona-Impfung entgegenwirken. Francesco Rocca, Präsident der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften, sagte am Montag in einem virtuellen Briefing vor der UN Correspondents Association: „Wir glauben, die massiven koordinierten Anstrengungen, die notwendig sein werden, um den Covid-Impfstoff auf gerechte Weise einzuführen, müssen mit ebenso massiven Anstrengungen für proaktiven Aufbau und Schutz von Vertrauen einhergehen.“
Ob man nun Befürworter oder Gegner der Corona-Impfung ist, dieses Beispiel zeigt, dass objektive Berichterstattung mehr denn je gefördert werden sollte. Die Fakten hinter den Social Media Posts sollten jeweils überprüft werden, damit aufgrund von Fehlinformationen keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Nur dann hat man die richtige Entscheidungsgrundlage, um sich aus eigener Überzeugung dafür oder dagegen zu entscheiden.