{"id":19990,"date":"2024-01-22T10:00:00","date_gmt":"2024-01-22T09:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/marketing.ch\/?p=19990"},"modified":"2023-12-29T12:58:47","modified_gmt":"2023-12-29T11:58:47","slug":"einflussreiche-marketingkampagnen-in-der-geschichte-teil-2-milady-decollete","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/marketing.ch\/marketing-strategie\/einflussreiche-marketingkampagnen-in-der-geschichte-teil-2-milady-decollete\/","title":{"rendered":"Einflussreiche Marketingkampagnen in der Geschichte \u2013 Teil 2: Milady D\u00e9collet\u00e9"},"content":{"rendered":"\n

Wie verkauft man eigentlich ein Produkt an eine Zielgruppe, die auf Anhieb nichts damit zu tun haben m\u00f6chte? Vor gut 100 Jahren gelang Gillette genau das. Trotz der Tatsache, dass in den Vereinigten Staaten im Jahr 1915 ein grosses gesellschaftliches Tabu rund um die Damenrasur bestand, gelang es dem Unternehmen, erstmals den Rasierer an die Frau zu bringen. Wie es das geschafft hat? Das schauen wir uns in diesem zweiten Teil der Serie «Einflussreiche Marketingkampagnen in der Geschichte» an.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Es war das Jahr 1915, als die Marke Gillette, die bis dahin ausschliesslich M\u00e4nnerrasierer verkaufte, zum ersten Mal Werbung f\u00fcr einen Damenrasierer machte. Ein gewagter Schritt, der die damaligen Sch\u00f6nheitsnormen und sozialen Konventionen ganz sch\u00f6n ins Wanken brachte. Bis anhin war es gesellschaftlich n\u00e4mlich alles andere als \u00fcblich, dass Frauen sich rasierten. Der Grund: Die lang\u00e4rmlige und oft kn\u00f6chellange Kleidung, die Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts \u00fcblicherweise trugen, machte das Entfernen der K\u00f6rperbehaarung schlicht \u00fcberfl\u00fcssig.<\/p>\n\n\n\n

Das Aufkommen neuer Mode gegen Ende der 1910er \u00e4nderte das jedoch. Nicht nur der Rock wurde zunehmend k\u00fcrzer, sondern auch die langen \u00c4rmel verschwanden. Besonders bei der Abendkleidung lagen \u00e4rmellose Outfits zu Beginn der 1920er Jahre absolut im Trend<\/a> \u2013 und die bargen das Risiko, nicht nur zu viel Haut, sondern auch zu viel Haar zu zeigen.<\/p>\n\n\n\n

Gillette sah darin eine Gelegenheit. Um ungewolltes K\u00f6rperhaar diskret zu entfernen, stellte der Rasierer-Hersteller eine L\u00f6sung vor: den Milady D\u00e9collet\u00e9. Dieser erste Damenrasierer war speziell f\u00fcr die Entfernung von Achselhaaren vorgesehen, und l\u00f6ste damit das Problem, das durch den neuen Trend der \u00e4rmellosen Mode entstanden war.<\/p>\n\n\n\n

Das klingt auf den ersten Blick sehr einleuchtend. Gillette findet eine L\u00f6sung f\u00fcr ein neu entstandenes Problem und m\u00f6chte diese verkaufen. Doch es gab auch einige H\u00fcrden zu meistern: Das gesellschaftliche Tabu der Frau, die sich rasiert, war in den 1910er Jahren n\u00e4mlich sehr gross. Rasierer waren Gegenst\u00e4nde, die ausschliesslich von M\u00e4nnern f\u00fcr die Bartrasur benutzt wurden, und hatten somit eine sehr maskuline Aura. Wie also hat Gillette es geschafft, einen Rasierer an eine Zielgruppe<\/a> zu verkaufen, die mit Rasierern eigentlich nichts zu tun haben sollte?<\/p>\n\n\n\n

Ein absolutes Must-Have f\u00fcr die moderne Frau<\/h2>\n\n\n\n

Tats\u00e4chlich machte Gillette von einem Prinzip gebrauch, das bis heute im Marketing unerl\u00e4sslich ist: Vermarket wurde nicht das Produkt, sondern das Narrativ rund um das Produkt. Das Problem war schliesslich nicht der Rasierer selbst, sondern die gesellschaftliche Assoziation des Rasierens mit einer maskulinen Norm. Dass Gillette dieses Narrativ ver\u00e4ndern wollte, kann man bereits in der allerersten Werbeanzeige f\u00fcr den Milady D\u00e9collet\u00e9 im Jahr 1915 beobachten.<\/p>\n\n\n\n

\"\"
Quelle<\/strong>: blog.hubspot.com<\/em><\/figcaption><\/figure>\n\n\n\n

Sowohl der grossgedruckte Titel \u00abEin einzigartiges Geschenk f\u00fcr Frauen\u00bb als auch der Name des Rasierers \u00abMilady D\u00e9collet\u00e9\u00bb machen auf Anhieb deutlich: Dieses Produkt ist speziell f\u00fcr die Frau gemacht. Nach maskulinen Assoziationen sucht man hier vergebens. Diese Ad steht ganz im Zeichen der Frau \u2013 oder, um genau zu sein, der modernen Frau.<\/p>\n\n\n\n

Wie die Ad Copy die Leser:innen n\u00e4mlich wissen l\u00e4sst, wird der \u00abhochaktuelle\u00bb Milady D\u00e9collet\u00e9 von Frauen aus aller Welt als Merkmal der guten K\u00f6rperpflege willkommen geheissen \u2013 jetzt, da es zur guten Manier geh\u00f6re, die Achseln glatt zu halten. Die Botschaft dahinter: Wer modern sein und dazugeh\u00f6ren m\u00f6chte, besitzt den Milady D\u00e9collet\u00e9. Wie Gillette hier so geschickt erw\u00e4hnt, sind glatte Achseln n\u00e4mlich der<\/em> neue Trend. Und der Milady D\u00e9collet\u00e9 l\u00f6st gem\u00e4ss der Anzeige das \u00abpeinliche pers\u00f6nliche Problem\u00bb der K\u00f6rperbehaarung mit diesem ersten Rasierer speziell f\u00fcr Damen.<\/p>\n\n\n\n

Wir k\u00f6nnen also festhalten: Mit der ersten Anzeige f\u00fcr den Milady D\u00e9collet\u00e9 beeinflusste Gillette das Narrativ rund um den Rasierer f\u00fcr Frauen. Wo das Rasieren bis anhin kaum eine Option f\u00fcr Frauen darstellte, bestand Gillette nun darauf, dass jede moderne Frau einen Milady D\u00e9collet\u00e9 bei sich zu Hause haben sollte. Mehr noch: Die Kampagne machte ihre Zielgruppe darauf aufmerksam, dass unrasierte Achseln ein Problem darstellten \u2013 und das, obwohl sie bis anhin die Norm waren.<\/p>\n\n\n\n

Vom No-Go zum absoluten Trend<\/h2>\n\n\n\n

Aus einer modernen Perspektive ist dieser letzte Teil vielleicht etwas schwer verdaulich. Eine Ad, die weibliche K\u00f6rperbehaarung als «peinliches pers\u00f6nliches Problem» illustriert, w\u00fcrde es heute bestimmt nicht sehr weit bringen.<\/p>\n\n\n\n

Tats\u00e4chlich illustriert dieses Beispiel aber gerade den gewaltigen Einfluss, den diese und andere erste Werbekampagnen f\u00fcr Damenrasierer auf die Gesellschaft hatten. Durch die Neuinszenierung nicht nur des Rasierers, sondern der Praxis des Rasierens f\u00fcr Frauen an sich, wurden das gesellschaftliche Tabu innert kurzer Zeit zum absoluten Muss.<\/p>\n\n\n\n

In den Jahren und Jahrzehnten nach der Einf\u00fchrung des Milady D\u00e9collet\u00e9 breitete sich das Konzept des Damenrasierers in der westlichen Welt immer weiter aus. Andere Unternehmen erkannten das Potenzial dieses wachsenden Marktes und stiegen ebenfalls in die Produktion von Damenrasierern ein. Und rasiert wurde l\u00e4ngst nicht mehr nur unter den Achseln. In den 1940er Jahren wurde die Beinrasur f\u00fcr Frauen in den USA<\/a> zum Trend, und ein gutes Jahrzehnt sp\u00e4ter ebenfalls zur gesellschaftlichen Norm. Die Marke Gillette blieb w\u00e4hrend all dieser Zeit pr\u00e4sent auf dem Markt und stellte immer wieder neue innovative Konzepte rund um die Damenrasur vor.<\/p>\n\n\n\n

Vor rund 20 Jahren wurde im deutschen Raum schliesslich die Marke Gillette Venus lanciert<\/a>. Was ins Auge sticht: Der Fokus der Marke liegt wiederum auf dem Narrativ rund um die moderne junge Frau, die sich rasiert. Genau wie vor \u00fcber 100 Jahren setzt das Unternehmen Gillette seinen Schwerpunkt auf die gesellschaftlichen Konnotationen rund um die Rasur, anstatt einfach den Rasierer an sich zu bewerben. Und so, wie sich die moderne junge Frau im Laufe der Zeit gewandelt hat, hat sich das Narrativ von Gillette im Laufe der Zeit angepasst.<\/p>\n\n\n\n

\"\"
Quelle<\/strong>: www.gillettevenus.de<\/em><\/figcaption><\/figure>\n\n\n\n

Im Jahr 2006 beispielsweise ging Gillette Venus eine Partnerschaft mit der bei jungen Frauen beliebten Fernsehsendung\u00a0Germany\u2018s Next Topmodel<\/em> ein und traf damit genau den Nerv der Zeit. Im Fokus des Brand-Deals stand die Assoziation von glattrasierten Beinen und weiblicher Sch\u00f6nheit, wie auch der damalige Slogan \u00abErwecke die G\u00f6ttin in dir\u00bb deutlich machte. <\/p>\n\n\n\n

Mittlerweile jedoch hat sich ein weiterer Wandel in der Gesellschaft getan, und viele junge Frauen hinterfragen vorgefertigte Konzepte weiblicher Sch\u00f6nheit. Dementsprechend wirbt Gillette Venus heute mit dem Narrativ von Selbstakzeptanz und Inklusion. Mit dem Motto \u00abMy skin. My way.\u00bb und der gezielten Abbildung von Menschen jeder Gr\u00f6sse, Form und Hautfarbe verdeutlicht Gillette Venus, dass sie sich dem Zeitgeist angepasst hat \u2013 und so einmal mehr voll im Trend liegt.<\/p>\n\n\n\n

Wie sehr hat das Marketing von Gillette die Welt von heute tats\u00e4chlich gepr\u00e4gt?<\/h2>\n\n\n\n

Wie gross der Einfluss von Gillette auf die wachsende Beliebtheit der Damenrasur in den letzten 100 Jahren tats\u00e4chlich war, ist schwierig zu sagen. Es gibt Stimmen, die meinen, Gillette und andere Rasierer-Hersteller h\u00e4tten in den fr\u00fchen 1920ern \u00fcberhaupt erst ein Bed\u00fcrfnis f\u00fcr Damenrasierer in der Gesellschaft geschaffen, w\u00e4hrend andere glauben, dass der Damenrasierer auch ohne grosses Marketing<\/a> fr\u00fcher oder sp\u00e4ter das Licht der Welt erblickt h\u00e4tte.<\/p>\n\n\n\n

Was jedoch gesagt werden kann, ist, dass Gillette ein m\u00f6gliches Bed\u00fcrfnis in der Gesellschaft fr\u00fch erkannt und die Gelegenheit f\u00fcr sich ergriffen hat. Um seine Zielgruppe von dem so neuartigen Produkt zu \u00fcberzeugen, berief sich das Unternehmen auf ausgekl\u00fcgelte Marketingstrategien<\/a>, die das Narrativ rund um die Damenrasur von Grund auf ver\u00e4nderten und so den Weg f\u00fcr den Damenrasierer ebneten.<\/p>\n\n\n\n

Besonders spannend ist dabei, dass das Unternehmen diese Strategie bis heute f\u00fcr sich nutzt. Obwohl sich die Wertvorstellungen der Zielgruppe von Gillette immer wieder gewandelt haben, konnte das Unternehmen mithalten. Egal ob Einzigartigkeit, Sch\u00f6nheit oder Aktualit\u00e4t im Fokus liegen \u2013 Gillette nimmt gesellschaftlich pr\u00e4sente Themen auf, und nutzt sie, um das Narrativ rund um die Damenrasur neu zu gestalten. Dass diese Rechnung aufgeht, beweisen die letzten 100 Jahre Marketinggeschichte des Unternehmens.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Wie verkauft man eigentlich ein Produkt an eine Zielgruppe, die auf Anhieb nichts damit zu tun haben m\u00f6chte? Vor gut 100 Jahren gelang Gillette genau das. Trotz der Tatsache, dass in den Vereinigten Staaten im Jahr 1915 ein grosses gesellschaftliches Tabu rund um die Damenrasur bestand, gelang es dem Unternehmen, erstmals den Rasierer an die […]<\/p>\n","protected":false},"author":289,"featured_media":19999,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_acf_changed":false,"inline_featured_image":false,"footnotes":""},"categories":[95],"tags":[],"class_list":["post-19990","post","type-post","status-publish","format-standard","has-post-thumbnail","hentry","category-marketing-strategie"],"acf":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/marketing.ch\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/19990","targetHints":{"allow":["GET"]}}],"collection":[{"href":"https:\/\/marketing.ch\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/marketing.ch\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/marketing.ch\/wp-json\/wp\/v2\/users\/289"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/marketing.ch\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=19990"}],"version-history":[{"count":15,"href":"https:\/\/marketing.ch\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/19990\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":21097,"href":"https:\/\/marketing.ch\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/19990\/revisions\/21097"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/marketing.ch\/wp-json\/wp\/v2\/media\/19999"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/marketing.ch\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=19990"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/marketing.ch\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=19990"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/marketing.ch\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=19990"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}